Die Hongkong-Papiere
Stilwell sah ihn erstaunt an, und Mao wandte sich an Mountbatten. »Wer sind dieser Offizier und der Mann bei ihm?«
»Major lan Campbell, Herr Vorsitzender«, antwortete Mountbatten, »einer meiner Adjutanten. Der Korporal ist sein Bursche. Sie gehören zum schottischen Hochlandregiment.«
»Bursche?« fragte Mao.
»Ein Soldat in der Funktion eines persönlichen Dieners«, erklärte Mountbatten.
»Ah, ich verstehe.« Mao nickte rätselhaft und wandte sich an Campbell. »Sie meinen die Highlands in Schottland, habe ich recht? Ein seltsames Volk. Die Engländer haben Sie über die Klinge springen lassen, Ihr Volk aus seinem Land vertrieben, und dennoch ziehen Sie für die Engländer in den Krieg.«
lan Campbell zuckte die Achseln. »Ich bin ein Highlander durch und durch, seit tausend Jahren sind wir die Lairds von Loch Dhu Castle und seiner Umgebung, wie mein Vater und dessen Vater vor mir, und wenn die Engländer ab und zu Hilfe brauchen, weshalb nicht?«
Mao lächelte tatsächlich und nickte Mountbatten zu. »Mir gefällt dieser Mann. Sie sollten ihn mir mal ausleihen.«
»Das ist nicht möglich, Herr Vorsitzender.«
Mao zuckte die Achseln. »Dann zum Geschäftlichen. Ich habe wenig Zeit. Ich muß den Rückflug in spätestens einer halben Stunde antreten. Was haben Sie mir anzubieten?«
Mountbatten warf einen Blick zu Stilwell, der die Schultern
hob, und der Vize-Admiral sagte zu Mao: »Unsere amerikani schen Freunde können Ihren Streitkräften keine Waffen und Munition liefern.«
»Aber alles, was der Generalissimus nötig hat, werden sie doch bereitstellen, oder?« fragte Mao.
Mountbatten blieb überraschend ruhig. »Ich glaube, wir haben eine Lösung für dieses Problem«, sagte er. »Wie wäre es denn, wenn die RAF pro Monat zehntausend Tonnen an verschiedenen Waffen, Munition und so weiter über den Buckel nach Kunming bringen würde?«
Mao nahm eine Zigarette aus einem alten Silberetui, und der junge Offizier gab ihm Feuer. Der Vorsitzende blies einen langen Rauchstrom aus. »Und was müßte ich für diese Groß zügigkeit tun?«
Mountbatten zündete sich ebenfalls eine Zigarette an, trat an die offene Tür und blickte hinaus in den Regen. Er wandte sich um. »Der Vertrag von Hongkong. Der Pachtvertrag mit Großbritannien. Er läuft am 1. Juli 1997 aus.«
»Und?«
»Ich möchte, daß Sie ihn um hundert Jahre verlängern.«
Langes Schweigen trat ein. Mao lehnte sich zurück und blies Zigarettenrauch zur Decke. »Mein Freund, ich glaube, der viele Regen hat Sie ein wenig um den Verstand gebracht. Generalis simus Tschiang Kai-schek regiert China, solange es die Japaner erlauben natürlich.«
»Aber die Japaner werden irgendwann abziehen«, sagte Mountbatten.
»Und dann?«
Im Raum war es sehr still. Mountbatten drehte sich um und nickte mit dem Kopf. Der Korporal schlug die Hacken zusam men und reichte die Unterschriftenmappe Major Campbell, der sie aufklappte und ein Schriftstück hervorholte, das er vor dem Vorsitzenden auf den Tisch legte.
»Das ist kein Vertrag, sondern ein Abkommen«, sagte Mountbatten. »Ich möchte es das Tschungking-Abkommen nennen. Wenn Sie den Text gelesen haben und ihn mit Ihrer Unterschrift gutheißen, erklären Sie sich bereit, den Vertrag von Hongkong um hundert Jahre zu verlängern, falls Sie je die Herrschaft über China erlangen. Als Gegenleistung wird die Regierung Ihrer Majestät Sie mit allem versorgen, was Ihr Militär benötigt.«
Mao Tse-tung prüfte das Dokument, dann sah er hoch. »Ha ben Sie einen Füllfederhalter, Lord Mountbatten?«
Der Korporal hielt einen bereit, und er reagierte schnell. Mao unterzeichnete das Schriftstück. Major Campbell holte drei weitere Kopien hervor und legte sie auf den Tisch. Mao unterschrieb jede, und Mountbatten zeichnete gegen.
Mao gab dem Korporal den Füllfederhalter zurück und stand auf. »Damit geht ein erfolgreicher Arbeitstag zu Ende«, sagte er zu Mountbatten, »aber ich muß mich jetzt verabschieden.«
Er ging zur Tür. »Einen Moment noch, Herr Vorsitzender«, sagte Mountbatten. »Sie haben Ihre Kopie des Abkommens vergessen.«
Mao wandte sich um. »Später«, sagte er. »Wenn Churchill seine Unterschrift darunter gesetzt hat.«
Mountbatten starrte ihn verblüfft an. »Churchill?«
»Aber natürlich. Selbstverständlich sollen sich dadurch die Waffenlieferungen nicht verzögern, aber ich erwarte, daß meine Kopie von diesem großen Mann
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