Weil sie sich liebten (German Edition)
Mike
D ie Kassette
war klein, nicht viel größer als seine Hand, aber wenn Mike an die
erschreckende Hemmungslosigkeit dachte, die auf dem Band zu sehen war, an das
Risiko und die Zerstörungskraft, die es barg, hätte das kleine Plastikding
ebenso gut radioaktiv sein können. Genauso hatte es gewirkt und mit seinem Gift
die ganze Schule kontaminiert: Es hatte den Ruf der Avery Academy ruiniert,
seines Wissens mindestens zwei Ehen zerstört, die Zukunft von drei Schülern
zunichtegemacht und – das war das Schlimmste – einen Menschen in den Tod
getrieben.
Nachdem Mike das Band von der Schulsekretärin Kasia Gorzynski
bekommen hatte, in einem weißen Briefumschlag (als hätte er vielleicht vor, es
zu verschicken!), hatte er es mit nach Hause genommen, um es sich am Bildschirm
seines Fernsehers anzusehen – ein äußerst kompliziertes und nervenzehrendes
Unternehmen, da er zuerst seine Filmkamera, die mit Bändern des gleichen
Formats arbeitete, heraussuchen und dann die diversen Kabel fachgerecht an den
Fernsehapparat anschließen musste. Manchmal wünschte Mike, er hätte die
widerwärtige Kassette einfach in einen Topf mit kochendem Wasser geworfen, in
einer Plastiktüte in den Müll befördert oder das Band mit einem Bleistift
herausgefummelt und hoffnungslos verheddert. Auch wenn er den drohenden Skandal
wahrscheinlich nicht hätte abwenden können, so hätte er vielleicht doch seine
weitere Entwicklung beeinflussen und den Schaden begrenzen können.
In dem Raum musste bereits einiges geschehen sein, bevor die Kamera
das Quartett ins Visier nahm. Man sah, wie das Mädchen (für Mike war sie immer
nur das Mädchen ) sich mit einer schnellen Drehung von
einem hochgewachsenen, schlanken Jungen in Jeans wegbewegte (wegwirbelte, wie
es schien) und sich einem anderen etwas kleineren, kräftiger gebauten nackten
Jungen zuwandte, der sie an sich zog und heftig an ihrer rechten Brustwarze zu
saugen begann. Bis zu dieser Stelle waren keine Gesichter zu erkennen gewesen,
alle Körper waren nur bis zu den Schultern zu sehen, zweifellos Absicht der
Person hinter der Kamera. Und bis zu diesem Moment hatte Mike, damals
Schulleiter der Avery Academy, einer Privatschule mit exzellenter Reputation,
nicht bemerkt, dass sich das alles im Zimmer eines der Wohnheime des Internats
abspielte. Der kleinere Junge schubste das unbekleidete Mädchen dem ersten zu,
der seinen Gürtel öffnete und seine Jeans, als wäre sie für seine schmalen
Hüften viel zu weit, herunterrutschen ließ wie in einem Cartoon. Nach einem
ruckartigen Kameraschwenk, bei dem Mike fast übel wurde, war ein schmales Bett
zu sehen, auf dem, splitternackt, ein dritter Junge lag, anscheinend etwas
älter als die anderen beiden, der sich an sich selbst zu schaffen machte. Den
Anblick des beeindruckend großen, purpurfarbenen steifen Penis und der straff
gespannten Brust- und Armmuskeln des Jungen hätte Mike wie alle anderen Bilder
auf diesem Band gern aus seiner Erinnerung gelöscht. Die Kamera schwenkte
erneut zur Mitte des Raums, zurück zu den beiden stehenden jungen Männern und
dem Mädchen, das jetzt kniete.
Erst an dieser Stelle der Aufnahme bemerkte Mike, dasssie mit Ton unterlegt war; er hörte, von der Seite des
Zimmers, wo das Bett stand, eine Art übertriebenes Stöhnen und hämmernde Musik
(die allerdings aus irgendeinem Grund gedämpft schien). Der hochgewachsene
Junge mit den schmalen Hüften hielt unterdessen den blonden Kopf des Mädchens
an seinen Unterleib gedrückt. Sie schien genau zu wissen, was sie zu tun hatte – als hätte sie vor dem Ereignis geübt . Für Mike
jedenfalls sprach beinahe Routine daraus, wie sie den erigierten Penis des
stehenden Jungen mit der Hand umschloss, bevor sie sich vorbeugte und ihn in
ihren Mund einführte. Der Junge kam mit einem durchdringenden Laut beinahe
kindlicher Überraschung zum Orgasmus. Der Kameramann (dass eine Frau filmte,
konnte Mike sich nicht vorstellen) zog das Objektiv aufwärts, um das Gesicht
des Jungen einzufangen, und Mike Bordwin erkannte es entsetzt. Als Kasia ihm
vor knapp einer Stunde sehr ernst das Band übergeben und mit tonloser Stimme zu
ihm gesagt hatte: Ich finde, Sie sollten sich das mal
ansehen , hatte er angenommen, es handle sich lediglich um einen konfiszierten
Pornofilm (nicht, dass das Band nicht pornografisch gewesen wäre) – eine Sache,
um die sich ein Haustutor kümmern konnte. Es kam ihm gar nicht in den Sinn,
dass ihm bekannte Personen an der Handlung beteiligt
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