Die Hongkong-Papiere
holte eine Schachtel Zigaretten heraus. »Du bist auf alles scharf, was einen Rock trägt, Michael Ahern. Ich kenne dich schon zu lange.«
Sie schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen, während der Araber hastig ein Feuerzeug aus der Tasche fischte und ihr Feuer gab. Er wandte sich an Ahern. »Gehört diese Lady zu Ihrer Organisation?«
»Nun, ich gehöre nicht zu der Scheiß-IRA«, sagte sie. »Wir sind Protestanten, wenn Sie wissen, was das heißt.«
»Norah und ich waren zusammen in der Ulster Volunteer Force und danach in der Red Hand von Ulster«, sagte Ahern. »Bis wir einen Ortswechsel vornehmen mußten.«
Norah lachte rauh. »Bis sie uns rausgeschmissen haben. Diese Bande war doch nichts als ein Haufen alter Weiber. Wir haben
für ihren Geschmack zu viele Katholiken getötet.«
»Ich verstehe«, sagte Ali Halabi. »Sind es die Katholiken, auf die Sie es abgesehen haben, oder die IRA?«
»Das eine ist so gut oder so schlecht wie das andere«, erwi derte sie. »Ich stamme aus Belfast, Mr. Halabi. Mein Vater war Sergeant bei der Armee und ist im Falklandkrieg gefallen. Meine Mutter, meine kleine Schwester, mein Großvater, meine gesamte Familie wurde 1986 bei einem Bombenattentat der IRA getötet. Man könnte durchaus sagen, daß ich seitdem meine Rachegelüste befriedige.«
»Aber wir sind offen für jedes Angebot«, sagte Ahern freund lich. »Jede revolutionäre Organisation braucht Geld.«
Die kleine Tür im Eingangstor klappte. Ali holte die Pistole aus der Tasche, und Ahern ging zur Tür. »Bist du es, Billy?«
»Aber immer.«
»Ist das Billy Quigley?« fragte Norah.
»Wer sonst?« Ahern wandte sich an Ali. »Noch jemand, der aus der Red Hand geflogen ist. Billy und ich waren einige Zeit zusammen im Matze-Gefängnis.«
Quigley war ein kleiner drahtiger Mann in einem alten Re genmantel. Er hatte ausgebleichte blonde Haare und ein verhärmtes Gesicht, das ihn älter machte, als er tatsächlich war.
»Mein Gott, bist du’s wirklich, Norah?«
»Hallo, Billy.«
»Hast du meine Nachricht erhalten?« fragte Ahern.
»Ja, ich bin fast jeden Abend im William of Orange in Kil
burn.«
Ahern sagte zu Ali: »Kilburn ist so etwas wie das irische Viertel von London. Es gibt dort eine ganze Reihe guter irischer Pubs, sowohl katholische als auch protestantische. Das ist übrigens Ali Halabi aus dem Iran.«
»Worum geht es denn nun?« wollte Quigley wissen.
»Darum.« Ahern hielt den Evening Standard m it der Schlag
zeile über den Besuch des amerikanischen Präsidenten hoch. »Ali vertritt eine Fundamentalistengruppe im Iran namens Gottesarmee. Man könnte sagen, daß sie Arafats Vereinbarun gen mit Israel über den neuen Status Palästinas äußerst kritisch gegenüberstehen. Noch kritischer beurteilen sie, daß der amerikanische Präsident das Treffen im Weißen Haus geleitet und der Vereinbarung seinen Segen gegeben hat.«
»Und?« sagte Quigley.
»Da ich auf diesem Gebiet einen gewissen Ruf besitze, möchten sie, daß ich den Präsidenten während seines Besuchs in London in die Luft jage.«
»Für fünf Millionen Pfund«, fügte Ali Halabi an. »Das sollten wir nicht unter den Tisch fallen lassen.«
»Die Hälfte liegt bereits auf einem Nummernkonto in Genf.« Ahern lächelte. »Mein Gott, Billy, wenn wir dann eine Million in Waffen steckten, was für ein wunderschönes Feuer könnten wir der IRA unterm Hintern machen?«
Quigleys Gesicht war blaß geworden. »Der amerikanische Präsident? Das würdest du nicht wagen, nicht einmal du.«
Norah lachte auf ihre typische rauhe Weise. »O doch, das würde er.«
Ahern sah die junge Frau an. »Machst du mit, Mädchen?«
»Das möchte ich mir um nichts auf der Welt entgehen las
sen.«
»Und du, Billy?« Quigley befeuchtete seine trockenen Lip pen. Ahern legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Bist du dabei oder nicht, Billy?«
Quigley grinste plötzlich. »Warum nicht? Man kann nur einmal sterben. Wie fangen wir es an?«
»Komm mit nach unten. Ich zeige es dir.«
Ahern ging voraus die Treppe hinunter und knipste das Licht an. In einer Ecke der Lagerhalle stand ein Fahrzeug, das mit einer Abdeckplane verhüllt war. Er zog sie weg, und ein grauer Kombiwagen der British Telecom kam zum Vorschein.
»Wo zum Teufel hast du den denn her?« wollte Quigley wissen.
»Jemand hat ihn vor ein paar Monaten für mich gestohlen. Eigentlich wollte ich ihn mit fünfhundert
Weitere Kostenlose Bücher