Die Hosen Des Herrn Von Bredow
er das Wort aus der Brust heraus hatte.
»Den Du meinst, Ohm, bin ich nicht. Mein Geist schaut aus der gebrochenen Hülle heraus. Dieser frei gewordene Geist spricht zu Dir.«
»Setz' Dich doch, Hans Jochem«, athmete Herr Gottfried. »Dein Bein, Du wirst ja müde sein.«
Hans Jochem schüttelte den Kopf, wie ein Abgeschiedener, dem ein Lebendiger etwas zumuthen möchte, was ihm ein schmerzlich Lächeln abringt.
»O daß Du müde wärst, Ohm, Deiner selbst, müde des langen Lebens hinter Dir; dann wäre Hoffnung, Du könntest wieder wach werden.«
Herr Gottfried schnappte nach Luft.
»Wie ein tiefer Brunnen bist Du, in dem ein klarer Quell zu Tage strebte, und die Sonne und die Sterne spiegelten sich drein, aber die Wände waren nicht fest gezimmert und gemauert, und mit jedem Jahre fiel mehr Sand und Erde hinab, bis der Quell verschüttet ist. In dem Brunnen spiegeln sich nicht mehr die Gestirne und der Zieheimer schöpft kein Wasser mehr. Aber der pflichtgetreue Brunnenwärter läßt doch den Eimer hinab und schöpft, bis er den Lebenstrank findet. So will ich schöpfen, Ohm, in Deiner Brust.«
Herr Götz rief alle guten Geister und seinen Schutzpatron an; das gläserne Auge des Kranken schien wirklich ihm durch Brust, Magen und Bauch zu dringen.
»Du hältst Dich für einen Lebendigen und bist doch ein Gestorbener. Du athmest, aber Dein Athem ist der Hauch der Stockung und die Stockung ist der Tod. O betrachte Deinen Leib, wie er groß ist, wie riesenhaft die Glieder, und wo findest Du die Seele; die ist verschwunden wie das Körnlein Salz, das man in einen Kessel mit Brei wirft. Daß Du ohne Sünde wärst, möchtest Du Dich rühmen, aber thue es nicht, denn die Sünde ist besser als das Nichtsein. Du hast nicht Witwen und Waisen beraubt, nicht Gott gelästert und seine Heiligen, kein falsch Zeugniß abgelegt und nicht auf der Straße gelegen. O hättest Du's gethan, es wäre Dir besser, als daß Du nichts thatest, dann konntest Du's büßen, und je ärger die Sünde, so größer die Gnade. Dann führe vielleicht sein Blitzstrahl zündend in Deine Eingeweide, und aus der Zerschmetterung erhöbest Du Dich als ein Heiliger.«
Herr Gottfried ein Heiliger! Immerhin, er hätte versprochen zu sein, was die Erscheinung von ihm verlangte, wenn er nur aus den Händen des Fieberkranken erlöst war.
»Oheim, Oheim! aber auch die Sünde floh Dich. Wie die Flamme am Steine fand sie ja nichts Lebendiges an Dir. Ach, hineingelebt hast Du in den Tag, bis die Sonne umsonst Dir aufging, die Vögel umsonst Dir zwitscherten, die Glocken umsonst tönten; der Donner Gottes rollte über Deinem Haupte und fand Dich schlafend. Richte Dich auf, schau Dich an und frage Dich: Was bist Du? Ein Klumpen Erde, gehüllt in menschliche Form. Du fühlst den Schmerz; auch der Wurm krümmt sich. Du lächelst; auch mein Hund springt mich an. Aber wo ist sie geblieben, Deine unsterbliche Seele? Du issest, Du trinkst, Du sprichst, Du schlägst um Dich, Du wehrst Dich Deiner Haut, aber die Seele schläft dabei. Unglückseliger, wie lang ist Dein Lebensfaden schon, und wo sind die Gedanken, an die Du Dich halten kannst, wenn der Leib in Staub zerfällt? Greife sie doch wie ich, die Flämmchen in der nächtlichen Wüste. Drei, vier schon griff ich. Ach, welche unermeßliche Wüste hinter Dir, und ich sah auch kein einzig Flämmchen. Wenn Dich der Posaunenschall weckt, schlägst Du ja umsonst die Augen auf. Dein Sinn zerfällt in Nichts; es sind keine Führer für Dich da, keine Gedanken, die Dich zur Ewigkeit leiten. Ich will Dich wecken, mein armer Ohm, schöpfen, bohren, schneiden, bis das Messer in der todten Masse –«
»Jesu! Maria! Joseph!« schrie der Burgherr, als der Fieberkranke beide Arme nach ihm ausstreckte. Und er saß fest geklemmt zwischen Tisch und Stuhl; nicht einmal sein Schwert konnte er ablangen; und wer braucht ein Schwert gegen den, der unsere Seele fordert! Aber die heiligen Namen, die er anrief, mußten doch dem Ritter geholfen haben. Neben dem weißen Plagegeist stand plötzlich ein schwarzer. Mit rußigem Gesicht, die Haare herabhängend, wie ein Kobold, der aus der Erde aufgeschossen, die noch von seinen Gliedern rollt, umfaßte den Fieberkranken eine kräftige Gestalt mit zwei starken Armen: »Junker, Ihr seid noch krank, Ihr müßt zu Bett.« Im nächsten Augenblick war die weiße und die schwarze Erscheinung aus des Ritters dämmernden Augen verschwinden.
Die Mittagssonne schien freundlich durch die offene Thür.
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