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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Wichtiges eingefallen.«
    »Ausgerechnet jetzt?«
    »Hannerl vom Seelengässchen«, stieß er hervor. »Die Tochter der alten Hümlin. Natürlich, warum bin ich nicht gleich darauf gekommen?«
    »Was ist mit der Frau?«, fragte Pankraz Haller.
    »Tag für Tag kam sie, ihr Krüglein abzuholen«, sagte Schneider verlegen. »Sie hat mich gedauert, mit ihrem lahmen Bein. Weil sie doch ganz allein auf der Welt ist, seitdem man ihre Mutter damals …«
    »Du hast ihr Bier geschenkt?«
    Zaghaftes Nicken.
    »Nur Reste. Das, was wir sonst weggeschüttet hätten. Aber irgendwann ist sie übermütig geworden und hat es regelrecht verlangt. Als stünde es ihr zu. Und als sie mich vor zwei Tagen wieder so dreist angegangen ist, da hab ich sie zum Teufel gejagt. Sie hat gekeift und gezetert und zum Schluss …« Er schluckte. »Sie hat uns verflucht. Den ganzen Storchenbräu mit Mann und Maus. Ihr haben wir dieses Schimmelgebräu zu verdanken, Braumeister. Sie ist schuld!«
    »Es ist immer einfacher, Fehler bei anderen zu suchen, nicht wahr?« Pankraz Haller nahm seinen Rock und zog ihn an. »Da kann man sich das eigene Nachdenken sparen. Du weißt, was ich davon halte – gar nichts! Kümmere dich also lieber um das Malz. Und sei achtsam bei jedem Handgriff! Noch mehr verdorbene Sude können wir uns nicht leisten.«
    Er hörte nicht mehr, was der Geselle hinter ihm murmelte. Er konnte auch nicht sehen, dass jener vor eine Wand trat, die im Halbdunkel lag. Vom Untergrund hoben sich rote Farbreste ab, Überbleibsel von Zeichen, die eine menschliche Hand vorlanger Zeit auf den groben Fels aufgetragen hatte. Schon bei seinen ersten Einsätzen als Lehrling im dunklen Felsenkeller, wo er vor Angst zunächst wie gelähmt gewesen war, hatte er sie entdeckt.
    Georg Schneider streckte die Hand aus und berührte das magische Buchstabenquadrat, das kaum noch zu lesen war. Für einen Augenblick glaubte er die Kraft des Bannspruchs zu spüren und konnte wieder freier atmen.
    Aber wie lange würde der Gegenzauber noch wirken?

    Sie hasste es, wenn Veit sie aufforderte, das Hemd auszuziehen, so wie er es erst gestern wieder getan hatte. Unter dem Schutz des steifen Leinens fühlte Marie sich stark, und sie genoss es, wenn ihre Brustspitzen den Stoff streiften. Kaum jedoch war sie nackt, überfiel sie Scheu. Dann ging etwas in ihr zu, und je fordernder seine Hände, je drängender seine Berührungen wurden, desto mehr verkrampfte sie sich.
    Von Anfang an hatte sie vermieden, bei ihm zu liegen, solange es hell war, aber inzwischen schützte nicht einmal die tiefste Dunkelheit sie vor diesen unangenehmen Gefühlen. Sie verabscheute ihren Körper, der schmal und mädchenhaft geblieben war. Die Zeit lief ihr davon, verhöhnte sie, dreister von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr. Andere in ihrem Alter wurden bereits Großmutter – und sie hatte noch kein einziges Mal geboren.
    Veit machte sich nichts daraus, ja, er schien es nicht einmal zu bemerken. Er freute sich an ihrer hellen Haut, küsste ihre kleinen Brüste, vergrub sein Gesicht in ihren rotblonden Haaren. Für ihn war sie schön, und er sagte es ihr, wieder und wieder. Liebchen nannte er sie, Herzensschatz, Bettfüchslein und konnte nicht genug davon bekommen, Marie in immer neuen Varianten zu beschlafen. Manchmal ging er dabei so hemmungslos vor, so selbstvergessen, dass sie beim Gedanken daran noch am anderen Morgen erröten musste. Ihre Zweifel aber hielten sich und wuchsen sogar, je länger sie zusammenlebten. Am meisten quälten sie Marie nach solchen Nächten. Meinte er wirklich sie? Oder verlor er sich nur, sobald er eine Frau berührte?
    Als er sie vor sechs Jahren Abend für Abend in der Gaststube des Storchenbräus angestarrt hatte, hatte sie sich in ihn verliebt. Damals hatte es nur vereinzelte Silberfäden in seinen Locken gegeben, die er sich immer wieder mit einer ungeduldigen Geste aus den Augen strich. Dass es jetzt fast ergraut war, stand ihm ebenso gut wie die schwerer gewordenen Lider, die seinem Blick etwas Schläfriges verliehen, von dem man sich allerdings nicht täuschen lassen durfte. Überhaupt waren seine Augen das, was sie als Erstes in Bann gezogen hatte: von einem hellen, zornigen Grün, das ein Kranz dunkler Wimpern noch leuchtender machte. Ich bin da, schienen sie zu sagen. Worauf wartest du noch?
    Auch der Rest gefiel ihr, damals wie heute. Veit war ein stattlicher Mann mit breiten Schultern; seine Ausstrahlung schien jeden Raum heller zu machen. Seine tiefe

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