Die Huren des Apothekers
sie
Elße gestern gedeckt hatte? War es Mechthild aufgefallen, dass sie
sich für die Falsche gemeldet hatte?
Nein, unwahrscheinlich. Dann hätte die Strafe
genauso auch Elße getroffen. Sollte tatsächlich die unwillkommene
Frage nach der rothaarigen Bärbel der Grund sein?
Auch Elße hatte vorgehabt, sich nach Bärbel zu
erkundigen. So sehr sie ihre Freundin bemitleidete, ein Hauch
Erleichterung, dass es Jonata und nicht sie getroffen hatte, drückte
das Messer des Gewissens noch tiefer in ihren Leib. Nein, niemand
würde sie dazu bringen, jetzt noch nach Bärbel zu fragen. Gleich,
als sie sich das schwor, trat der traurige Gesichtsausdruck des
Fremden vor ihre Augen. Was sollte sie ihm nur mitteilen?
Kapitel 4 –
Der Anbau
Die Sonne ging schon fast unter, als Luzia
zurückkehrte. Magdalene würde sie ausschimpfen wie ein ungezogenes
Kind, aber der Spaziergang im Regen hatte Luzia gutgetan, ihre
Gedanken geklärt und ihre gute Laune wieder hergestellt. Heimlich
schob sie die Haustür auf und hängte ihren nassen Mantel in die
Diele, tauschte die Lederschuhe gegen die weichen Pantoffeln des
Landgrafen und wandte sich zur Treppe. Wie ein Schreckgespenst in der
Nacht stand auf einmal Trine vor ihr. Luzia zuckte zusammen und
unterdrückte einen Schrei, bis sie sich erinnerte, dass sie hier die
Hausherrin war und sich beileibe nicht verstecken musste.
»Hast du mich erschreckt, Trine! Warum schleichst
du so?«
Nach einem ärgerlichen Stirnrunzeln glättete
sich die Miene der Magd und sie knickste. »Verzeihung, Herrin. Wir
machten uns nur Sorgen um dich. Du warst Stunden verschwunden!«
»Ja, darf ich das denn nicht?«, erwiderte Luzia
schnippisch und wandte sich ab zur Treppe. Trine blieb zurück und
ein Anflug schlechten Gewissens ließ Luzia zögern. Unsinn, rief sie
sich zur Ordnung. Schließlich bezahlte Magdalene Trine dafür, Luzia
zu umsorgen. Da musste sie sich keinen Kopf machen, wenn Trine ihrer
Pflicht nachkam. Energisch schritt sie die Stufen hoch, als sie laute
Stimmen aus der Bibliothek hörte: Magdalene und Lukas.
Wann hatten die beiden sich das letzte Mal
gestritten? Das war noch vor dem Umzug gewesen, in Amorbach, als
Lukas alle Kleidertruhen zurücklassen wollte, um nur keines seiner
Instrumente oder Ingredienzen einem unwissenden Fuhrmann zu
überantworten. Da hatte Magdalene ihn weltfremd geschimpft, denn
ohne Astrolabium sei noch niemand zu Tode gekommen, jedoch ohne
Kleider würde man sie in Marburg davonjagen. Es hatte sich lediglich
um einen kurzen Wortwechsel gehandelt, bis Lukas einlenkte. Jetzt
jedoch zankten sich die beiden schon so lange, wie Luzia brauchte,
die Treppe hochzugehen und den Gang zu durchschreiten. Als sie die
Tür öffnete, schallten ihr die Stimmen so laut entgegen, dass sie
unwillkürlich die Hände vor die Ohren hielt.
»Du würdest im Dreck verkommen, wenn ich nicht
hinter dir herräumte!«, rief Magdalene empört.
»Bei meinen Büchern handelt es sich nicht um
Dreck – und erst recht nicht bei meinen Notizen!«, blaffte Lukas
zurück. »Niemand vergreift sich an meinen Forschungen!«
Jetzt erst wurde er gewahr, dass Luzia in der Tür
stand, sein Blick zuckte zu ihr herüber. »Luzia, sage bitte deiner
vorlauten Schwägerin, dass ich sehr wohl alleine Ordnung in meinen
Geschäften halten kann und sie sich nicht anmaßen soll, mich zu
korrigieren!«
Magdalene fuhr herum und funkelte sie an. »Dann
sage bitte auch deinem herrischen Gemahl, dass seine Geschäfte mich
nicht das Schwarz unterm Fingernagel scheren und er demnächst seine
Hemden selbst waschen soll!«
Mit hoch erhobenem Kinn raffte sie ihre Röcke und
rauschte hinaus.
Luzia sah ihr mit offenem Mund hinterher, bis sie
den Kopf schüttelte und sich ihrem Mann zuwandte. Lukas stand mit
geballten Fäusten mitten im Raum und kontrollierte mühsam seinen
Atem.
»Liebster, was ist denn nur geschehen?«,
flüsterte sie völlig verstört.
Sein Blick flackerte, dann schloss er die Augen
kurz und atmete tief durch. Die Fäuste öffneten sich und sogar ein
Lächeln stahl sich in sein Gesicht.
»Nichts, was dich beträfe, meine Geliebte.
Magdalene in ihrer Ordnungswut verlegte eines meiner Bücher und warf
zu alledem auch noch den Zettel fort, auf den ich meine Anmerkungen
zu dieser schwierigen Materie niedergeschrieben hatte. Wenn sie es
nur zugeben würde, könnten wir gemeinsam das Buch suchen, aber sie
ist uneinsichtig und weigert sich, ihren Fehler zuzugeben.«
»Das sieht ihr überhaupt nicht
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