Die Huren des Apothekers
helfen. Sie hat mir geraten, derweil die Haustüren fest geschlossen zu halten.«
Kapitel 3 – Liederliche Weiber
Noch immer klopfte Elßes Herz schnell, obwohl die Aufregung vorüber war. Sie hatte es ungesehen in den Schlafsaal geschafft und ihr Kleid zu den anderen auf den Stapel gelegt. Morgen würde niemandem auffallen, dass jemand zu spät gekommen war. Ihr Leib fühlte sich an wie eingefroren und daran würde auch die dünne Decke nicht viel ändern, die sie sich mit Jonata teilte. Die Brünette hatte es sich im Bettkasten bequem gemacht und schnarchte leise. Es tat Elße leid, sie zu wecken, aber sie sehnte sich schmerzhaft danach, bequem zu liegen und etwas Wärme zu spüren. Mit einem Murren wälzte Jonata sich zur Seite und Elße konnte unter die Decke schlüpfen. Die dunklen Haare Jonatas dufteten nach Lavendel, den sie für die Diele gebraucht hatte. Elße erinnerte das an den Geruch der frischen Wäsche ihrer Mutter. Wie die Kacheln am Ofen ihres Elternhauses sandte Jonata Behaglichkeit aus und Elße schmiegte sich dicht an sie.
Es war stockdunkel im Saal, durch die Ritzen der Läden kamen nur ein düsterer Schimmer und eisige Zugluft. Elße schloss die Augen. Helle Funken erschienen hinter ihren Lidern, die sich zu einem Bild zusammenfügten: Endres‘ totes Gesicht. Sie riss die Augen wieder auf. Ein kalter Schauer rieselte ihr über den Rücken, sie drehte sich herum und ließ sich die Rückseite von Jonata wärmen. Wo, zum Teufel, war sie heute hineingeraten?
Der Fremde hatte die Leiche mit sich genommen, aber Endres war schwer. Weit würde auch ein so kräftiger Mann den Körper nicht tragen können. Obwohl nachts hier auf dem Berg Totenstille herrschte, wurde der Wald doch gut bewirtschaftet, Holzsammler klaubten jeden abgebrochenen Ast, suchten Pilze und pflückten Kräuter und Beeren. Ein hastig verscharrter Kadaver würde in kürzester Zeit gefunden. Noch hörte Elße ruhige Schritte im Haus, doch spätestens, wenn der Knecht nicht seinen Strohsack in der Gesindekammer belegte, würden seine Zimmergenossen ihn vermissen und hektisch suchen. Vielleicht hatte er sogar gesagt, dass er Elße nachstieg? Die erste Frage nach ihm würde bei ihr enden. Wer war sie? Ein Mädchen mit schlechtestem Leumund, gefallen, entehrt, eine Hure. Sofort musste der Verdacht auf sie fallen. Kein Richter würde an der Wahrheit der Anklage zweifeln, der Henker sie gleich nach der Niederkunft in der Lahn ertränken. Und ihr Sohn? Elße fasste an ihren Leib und spürte zarte Bewegungen. Ohne Mutter könnte er keine Woche überleben. Eine Amme fand sich gewiss nicht, denn wer nahm das Kind einer Mörderin an?
Ihre Zähne klapperten, unkontrolliert rannen Tränen aus ihren Augen. Und wenn sie sich ihm hingegeben hätte? Kurz vor der Entbindung könne auch dies ein Kind töten, sagte man. So ginge es Kindern von Huren, sie kämen blind und taub auf die Welt, verstümmelt, mit Pestbeulen bedeckt, die Sünden der Mutter auf den Leib geschrieben.
Gab es denn nichts auf der Welt, das Elße richtig machte? Wollte Gott dieses Kind nicht? Und warum hatte er es denn entstehen lassen? Als Prüfung für Elße? Wieso nur war dieser Marodeur über sie gestolpert?
»Gib doch Ruhe«, murmelte Jonata in Elßes Haare und legte ihren Arm um sie. »Bald hast du’s überstanden.«
Jonatas Arm hätte genauso gut den Strohsack umschlingen können, trotzdem fühlte Elße sich getröstet. Es ging ihnen allen nicht besser.
»Morgen musst du zur Nachbarin den Garten hacken«, brummelte Jonata.
»Wieso das?« Elße wischte sich d ie Tränen aus dem Gesicht.
»Frau Mechthild hat fünf eingeteilt. Hab › ja ‹ für dich gesagt, ist net aufgefallen.« Die letzten Worte nuschelte Jonata so, dass Elße sie kaum verstand. Auf jeden Fall musste sie der Bettgenossin dankbar sein, dass die Herrin ihre Abwesenheit nicht bemerkt hatte. Jonata war nett, tat Gutes, obwohl sie nichts davon hatte. Vielleicht fand Elße hier ja doch noch eine Freundin?
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Mit entsetzlichen Kopfschmerzen wachte Luzia auf. Ohne die Augen zu öffnen, tastete sie nach der Liegestatt neben sich: leer. Lukas war aufgestanden, ohne sie zu wecken. Dabei handelte es sich wohl um eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen nicht sie behutsam aus dem Bett schlich, um ihm noch ein wenig Schlaf zu gönnen, weil er nächtelang hinter seinem Teleskop oder über seinen Versuchen saß. Am liebsten hätte Luzia sich wieder herumgedreht und die Nase im Kissen versteckt, aber Lukas
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