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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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huschten zurück in die Betten und taten so, als ob sie schliefen, damit sie nichts zum Tadeln fand. Am nächsten Tag hieß es, Bärbel sei weggelaufen.«
    »Und niemand suchte sie?«
    »Nicht dass ich wüsste. Es wurde kein Wort darüber verloren. Die Herrin war beleidigt und wollte nichts mehr davon hören.« Auf den erzürnten Blick des Mannes fügte sie schnell hinzu: »Und wir Frauen werden den ganzen Tag beschäftigt – die Knechte bestrafen uns, wenn wir den Ort verlassen, wo wir arbeiten sollen.«
    Der Mann ließ die Schultern hängen und nagte an seiner Unterlippe. »Aber wohin mag sie gegangen sein? Es gibt hier auf einige Meilen keine Menschenseele! Sie wird sich im Wald verlaufen haben.«
    Elße zögerte, doch die Mutlosigkeit in den Augen des Mannes ließ die Worte aus ihr herausfahren: »Eines der Mädchen … Jonata sagte, sie habe gesehen, wie die Knechte Bärbel zurück in den Anbau gebracht hätten.«
    Er richtete sich auf und sah zum Haus. »Wo ist das?«
    »Es gibt einen Durchgang vom Herrenhaus und eine Vordertür, die zum Laboratorium des Herrn führt. Beide Türen sind mit großen Schlössern versperrt. Nur wenn eine der Frauen kreißt, wird sie durch den oberen Flur in einen Raum mit dicken Mauern geführt, den kein Fenster erhellt, damit kein Laut herausdringt. Meist ist die Herrin dabei, nur selten eine Hebamme aus der Stadt. Erst hinterher dürfen Mädchen hinein, die putzen. Die junge Mutter kommt mit ihrem Neugeborenen heraus … oder …«
    Sie deutete auf das von Büschen umgebene Gelände hinter dem Anbau. Ihr Retter heftete seine Augen in die Richtung und marschierte voran. Hastig wollte Elße fliehen, die Gelegenheit wahrnehmen und schnell zurück in den Schlafsaal, bis sie sich die Trostlosigkeit jenes muffigen Ortes ins Gedächtnis rief. Lieber blieb sie noch eine Weile im Freien und genoss die frische Luft, auch wenn das bedeutete, einen Mann zu begleiten, der ohne nachzudenken einen anderen erschlug.
    Vergeblich versuchte sie sich an Bärbel zu erinnern, sie hatten keine drei Worte gewechselt. Ihr Amulett sah Elße noch vor sich, aber nicht mehr ihr Gesicht. Rote Haare, so lodernd wie ein Feuerbrand, kaum durch die Haube im Zaum zu halten, das wusste sie noch. Bärbel war weit gewandert, um hierher zu gelangen. Was hatte sie an sich, das einen solchen Mann dazu brachte, ihr monatelang zu folgen? Er liebte sie? Und warum hatte er sie nicht geheiratet, bevor … Oder erwartete sie gar nicht sein Kind? War es ihr ähnlich gegangen wie Elße, war sie aus Scham geflohen, obwohl ihr Mann danach weiter zu ihr stand, wie auch Elßes Mutter zu ihrer Tochter gestanden hatte?
    Beinahe rannte Elße in den Fremden hinein, so abrupt blieb er stehen. Wie vom Schlag gerührt starrte er auf die Lichtung. Ein Grabhügel neben dem anderen, einige kleine für Neugeborene, größere für die Mütter, beulten die Erde aus. Kein Stein mit dem Namen, nicht einmal ein Kreuz schmückte diesen Totenacker. Selbst Blumen verbat die Herrin. Wer sollte auch hierfür Blumen pflücken? Die Mädchen kannten sich kaum, durften nicht miteinander reden und wussten oft nicht einmal, wessen Grab sie aushoben.
    »So viele«, murmelte der Mann.
    Auch Elße blickte mulmig auf das Feld. Nur noch wenige Tage – wartete auch auf sie ein namenloses Grab? Oder auf ihr Kind? Unwillkürlich legte sie die Hände auf ihren Leib, suchte die Bewegungen ihres Kindes und begann sich schon zu sorgen, als sie ein leichtes Stupsen fühlte. Es ging ihm gut. Mit Sicherheit gebar sie einen gesunden Jungen. Jedoch …
    »Viele junge Mütter kommen in schlechtem Zustand, sind abgemagert, verletzt, da ist die Anstrengung der Geburt zu viel für sie«, wiederholte sie die Worte der Herrin. »Man muss Gott danken für jedes neue Leben, das hier zur Welt kommt.«
    »Ob Bärbel …«
    Aufmerksamer ließ Elße ihren Blick über die Hügel schweifen. »Nein. Seit einer Woche ist kein neues Grab dazugekommen. Es hat geregnet, das Wasser hat die Erde geglättet und weggeschwemmt. Ein frisches Grab müsste anders aussehen.«
    Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht des Mannes. »Danke, du bist freundlich zu mir. Deine Worte trösten mich. Ob jemand von den anderen Frauen weiß, wohin Bärbel gegangen ist? Jonata? Oder gar Frau Mechthild?«
    Die Hoffnung in seinen Augen ließ ein warmes Gefühl in ihrem Herzen entstehen, als ob er sich um sie sorgte. Das bedeutete, dass vielleicht auch ihr eine Zukunft bevorstand, nachdem sie diese Bleibe verlassen

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