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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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wird hoch an die rauhen Wände geworfen. »Können Sie mit ihnen in Verbindung treten?«
    »Mit denen, von denen ich träume?« Ich denke einen Moment lang darüber nach. »Nein.«
    »Sind Sie sicher?«
    Ich versuche es zu erklären. »Ich komme nicht einmal in diesen Träumen vor, Hunt. Ich habe keine ... keine Stimme, keine Präsenz ... ich kann unmöglich mit denen in Verbindung treten, von denen ich träume.«
    »Aber manchmal träumen Sie, was sie denken?«
    Ich sehe ein, daß das der Wahrheit entspricht. Fast der Wahrheit. »Ich nehme wahr, was sie fühlen ...«
    »Dann können Sie eine Spur in ihren Köpfen hinterlassen ... in ihrer Erinnerung? Sie wissen lassen, wo wir sind?«
    »Nein.«
    Hunt läßt sich auf den Stuhl am Fußende meines Betts fallen. Plötzlich wirkt er sehr alt.
    »Leigh«, sage ich, »selbst wenn ich mit Gladstone oder den anderen kommunizieren könnte – was ich nicht kann –, was würde das nützen? Ich habe Ihnen gesagt, daß diese Nachbildung der alten Erde in der Magellanschen Wolke liegt. Selbst bei Quantensprung-Hawkinggeschwindigkeiten würden sie Jahrhunderte brauchen, bis sie uns erreicht hätten.«
    »Wir könnten sie warnen«, sagt Hunt mit so müder Stimme, daß er sich beinahe mürrisch anhört.
    »Wovor warnen? Gladstones schlimmste Alpträume werden rings um sie herum Wirklichkeit. Glauben Sie, sie vertraut dem Core noch? Darum konnte uns der Core so dreist entführen. Die Ereignisse überschlagen sich so sehr, daß weder Gladstone noch sonst jemand in der Hegemonie damit fertig wird.«
    Hunt reibt sich die Augen, dann macht er mit den Fingern einen Giebel unter der Nase. Sein Blick ist nicht besonders freundlich. »Sind Sie wirklich die rekonstruierte Persönlichkeit eines Dichters?«
    Ich sage nichts.
    »Rezitieren Sie ein Gedicht. Erfinden Sie etwas.«
    Ich schüttle den Kopf. Es ist spät, wir sind beide müde und ängstlich, und mein Herz klopft immer noch von dem Alptraum, der mehr als ein Alptraum war. Ich werde mich von Hunt nicht wütend machen lassen.
    »Kommen Sie schon«, sagt er. »Beweisen Sie mir, daß Sie die neue, verbesserte Version von Bill Keats sind.«
    »John Keats«, sage ich leise.
    »Wie auch immer. Kommen Sie, Severn. Oder John. Oder wie ich Sie sonst auch nennen sollte. Rezitieren Sie etwas Poesie.«
    »Na gut«, sage ich und erwidere seinen Blick. »Hören Sie zu.«
     
    Es war ein böser Junge
    Der war so bös wie nie
    Der tat nichts anderes machen
    Als kritzeln Poesie ...
    Er nahm
    in die Hand, so zum Spaß
    Ein Tintenfaß
    Und eine Feder
    So groß wie zehn Meter
    In die andere Faust
    Und fort
    Wie der Blitz
    Ist er gesaust
    Zu den Bergen
    Und Zwergen
    Und Geistern
    Und Meistern
    Und Gruben
    Und Stuben
    Und schrieb mit Schal
    Welch' eine Qual
    Wenn er so fror
    Wie nie zuvor
    Doch bei Hitzewelle
    Zog er ihn schnelle
    Ganz einfach aus.
    Oh, welch Ekstase
    Folgt man der Nase
    Mit wenigen Worten
    Nach Norden,
    Nach Norden,
    Folgt man der Nase
    Nach Norden!
     
    »Ich weiß nicht«, sagt Hunt. »Das hört sich nicht an, als hätte es ein Dichter geschrieben, dessen Ruhm tausend Jahre überdauert hat.« Ich zucke die Achseln.
    »Haben Sie heute nacht von Gladstone geträumt? Ist etwas geschehen, das dieses Stöhnen ausgelöst hat?«
    »Nein. Nicht von Gladstone. Es war ... zur Abwechslung einmal ein richtiger Alptraum.«
    Hunt steht auf, hebt die Lampe hoch und schickt sich an, die einzige Lichtquelle aus dem Zimmer zu nehmen. Ich höre den Springbrunnen auf der Piazza und die Tauben auf den Simsen. »Morgen«, sagt er, »werden wir den Sinn von alledem ergründen und einen Rückweg finden. Wenn sie uns hierher farcasten können, muß es auch einen Weg geben, uns zurückzufarcasten.«
    »Ja«, sage ich, obschon ich weiß, daß es nicht wahr ist.
    »Gute Nacht«, sagt Hunt. »Keine Alpträume mehr, verstanden?«
    »Keine mehr«, sage ich, obwohl ich weiß, daß das noch weniger stimmt.
     
    Moneta zog den verwundeten Kassad vom Shrike weg und schien die Kreatur mit einer ausgestreckten Hand auf Distanz zu halten, während sie einen blauen Torus aus dem Gürtel ihres Hautanzugs holte und hinter sich drehte.
    Ein zwei Meter hohes goldenes Oval hing brennend in der Luft.
    »Laß mich gehen«, murmelte Kassad. »Bringen wir es zuende.« Blut war verspritzt, wo das Shrike tiefe Furchen in den Hautanzug des Obersten gefetzt hatte. Sein rechter Fuß baumelte, als wäre er halb abgetrennt; er konnte ihn nicht belasten, und lediglich die Tatsache, daß er

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