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Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Titel: Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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verlesen wurden. Auch Gefängnisstrafen waren nicht selten, die einen Zeitraum von drei bis acht Jahren umfassen oder auch auf lebenslänglich (
immuratio
) lauten konnten. In Rom waren die Inquisitionsgefängnisse nach dem Urteil Luigi Firpos überraschend kommod, schafften es aber auch gut, die Gefangenen abzuschotten. Weil es fern der Metropole oft zu wenige Gefängnisse gab, wurden Haftstrafen häufig in Klöstern oder als Hausarrest vollzogen. Von Galeerenstrafen waren neben notorischen «Erzhäretikern» oder Schmährednern, die Grundwahrheiten des Glaubens in Frage gestellt hatten, überraschend oft auch Kleriker betroffen; jedoch konnte diese Strafe in vielen Fällen gemildert werden. Tatsächliche Todesstrafen waren – wie üblich – den Hartnäckigen und den Rückfälligen vorbehalten.Hinrichtungen waren seltener als in Spanien, nicht zuletzt, weil auf der Apenninhalbinsel die heftigen Massenverfolgungen gegen
Conversos
unbekannt waren, die die Opferzahlen in Spanien in die Höhe getrieben hatten. Von den rund tausend Angeklagten vor der Inquisition in Friaul zwischen 1551 und 1647 wurden vier Personen zu Tode gebracht. Öffentliche Glaubensakte beschränkten sich auf die Kernhandlungen Urteilsverlesung, Abschwörung und Bestrafung, verzichteten also auf aufwendige Begleitrituale wie Prozessionen und Messen. Im Gegensatz zu den großen «Sammelveranstaltungen» auf der Iberischen Halbinsel konzentrierten sich die Autodafés in Italien meist auf eine Person bzw. auf eine homogene Gruppe von Ketzern.
    Zielgruppen und Konjunkturen: Das Fehlen eines regelmäßigen Berichtwesens an die römische Zentrale und die Vernichtung wichtiger Quellenbestände macht eine Rekonstruktion der Aktivitäten der Inquisition in Italien schwierig. So hatte das Archiv des
Sanctum Officium
im 19. Jahrhundert ein bewegtes Schicksal. Nach der zweiten Besetzung Roms durch französische Truppen im Jahr 1808 wurden die Vatikanischen Archive nach Paris verschleppt und 1816/17 nur teilweise zurückgebracht. Die Besetzung des Palastes des
Sanctum Officium
durch republikanische Truppen im Jahr 1848 und die dritte französische Besatzung wenig später brachten weitere Auslagerungen und Verluste. Trotzdem birgt es für die Forschung immer noch reichhaltige Schätze. Bis vor kurzem aber waren diese fast völlig unzugänglich. Die fortdauernde Geheimhaltungspolitik gab immer wieder Gerüchten neue Nahrung, welch schreckliche Geheimnisse es berge. Erst im Januar 1998 wurde es unter großem medialen Echo vom Präfekten der Glaubenskongregation für die Forschung geöffnet. Aber bereits auf der Basis der dezentralen Überlieferung einzelner Inquisitionstribunale konnten Lokalstudien ein hinreichend klares Bild vom Aktivitätsprofil der römischen Inquisition liefern.
    Ihre Tätigkeit läßt sich – sehr grob – in zwei Phasen einteilen. Die erste Verfolgungswelle galt, den Zielen der Gründung gemäß, den Protestanten – oder wen man dafür hielt. Die reformorientiertenKräfte in Italien waren zu diesem Zeitpunkt wenig konfessionell profiliert, wurden aber von der Inquisition in die lutherische Ecke gedrängt. Das gilt insbesondere für die Anhänger des gemäßigten und auf Ausgleich bedachten Humanisten Erasmus von Rotterdam. Nach 1559 wurden seine Bücher verboten, er selbst mit Luther und Melanchthon auf eine Stufe gestellt und seine Anhänger konsequent verketzert. Der Sieg der Inquisition über den einheimischen Protestantismus stellte zu einem guten Teil den Triumph über eine selbst geschaffene Gefahr dar.
    Bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts blieb in Norditalien das Vorgehen gegen Lutheraner und verwandte Häretiker der Schwerpunkt. Ehemals jüdische oder muslimische Neuchristen waren hier eine kleine Gruppe. Im Süden, vor den Schranken der Inquisition in Neapel, waren die Proportionen umgekehrt verteilt. Mit regionalen Unterschieden ist also zu rechnen, aber überall erreichte die Zahl der Prozesse um 1600 ihren Höhepunkt. Dabei verlagerte sich zugleich aber allmählich der Schwerpunkt. Statt klassischer Häretiker wurden nun im Gefolge des Trienter Konzils verstärkt alle unorthodoxen Erscheinungsformen populärer Religiosität, vor allem magische Praktiken, bekämpft. Zwischen 1596 und 1785 verhandelten die beiden friaulischen Inquisitionstribunale in Aquileia und Concordia allein 777 Magiefälle: Liebes- und Heilzauber, Segenssprüche und Verwünschungen, Nekromantie und Wahrsagerei sowie – nicht zu vergessen –

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