Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
kamen, der alten Tradition folgend, fast ausschließlich aus dem Dominikaner- oder dem Franziskanerorden. Ein Inquisitor mußte mindestens 40 Jahre alt sein und Kenntnisse im kanonischen Recht besitzen. Die erwünschte Doppelqualifikation als Theologe und Jurist besaß er wohl in der Regel nicht. So stellt sich das Profil eines italienischen Ketzerverfolgers ganz anders dar als das seines spanischen Kollegen, der – wie gesehen – in erster Linie Jurist war. Seelsorgerische Aspekte standen hier mehr im Vordergrund und beeinflußten zweifellos die Prozeßführung. Römische Inquisitoren unterstanden direkt dem
Sanctum Officium
. Zu ihren Aufgaben gehörte neben der direkten Untersuchung von Häresien die Finanzverwaltung, die Überwachung von Fremden unddas Abfassen von Korrespondenz. Auch wenn das Berichtswesen weniger bürokratisiert war als im Bereich der Spanischen Inquisition, existierte ein lebhafter Austausch zwischen Rom und den Ketzerrichtern in den Regionen. Der unmittelbar einem Inquisitor vor Ort zugeordnete Stab – gewöhnlich ein Vertreter, dazu weiteres Gerichtspersonal und Helfer – nimmt sich bescheidener aus als derjenige in Spanien. Dazu kamen jedoch einmal die Vikarien im Umland, die den Weisungen der Inquisitoren unterstanden. Rechnet man überdies die gelehrten Konsultatoren ebenso hinzu wie die Familiaren, dann ergibt sich doch pro Tribunal eine beachtliche Gruppe von Unterstützern, die mehrere hundert Personen umfassen konnte.
Das Verfahren der Römischen Inquisition unterschied sich nicht grundlegend von ihrer mittelalterlichen Vorläuferin und ihrem spanischen Vorbild. Nichts macht die Kontinuitäten sichtbarer als die Weiterverwendung der mittelalterlichen Inquisitionshandbücher. Eines der umfassendsten, das Kompendium des aragonesischen Ketzerrichters Eymerich, wurde 1578 von dem spanischen Juristen Francisco Peña (1540–1612) neu herausgegeben und glossiert, einem Mann, der hohe Ämter an der römischen Kurie ausübte und als Berater des Großinquisitors Giulio Antonio Santoro (1532–1602) wirkte. Auch in Italien gehörte die Geheimhaltung von Zeugenaussagen und Denunziationen zum wichtigsten Arsenal inquisitorischer Waffen. Allerdings scheinen hier aufs Ganze gesehen die Verfahrensregeln restriktiver und im Sinne eines größeren Schutzes für die Angeklagten ausgelegt worden zu sein. Die Möglichkeit zur Verteidigung existierte, wenn nötig auch auf Kosten der Inquisition. War er von der Schuld seines Mandanten überzeugt, so hatte der bei der Inquisition approbierte Verteidiger sein Mandat niederzulegen. Auf der anderen Seite besaß er jedoch einige beachtliche Rechte: So mußte ihm eine Kopie der Anklageschrift in der Volkssprache zugänglich gemacht werden. Man hatte ihm Zeit zum Studium der Akten zuzugestehen, ebenso das Recht auf Benennung von Entlastungszeugen und auf die Formulierung von Gegenfragen an die Belastungszeugen. Die Folter durfte prinzipiell dann angewandt werden, wenn der Angeklagte trotzschwerer Indizien nicht gestand bzw. wenn der Verdacht bestand, er habe kein volles Geständnis abgelegt. Die Indizien mußten jedoch schwerwiegend sein (z.B. in Gestalt von Augenzeugen); außerdem mußte der bei jedem Inquisitionstribunal angesiedelte Beraterkreis aus weltlichen und geistlichen Fachleuten (Konsultatoren) zustimmen. Auch der Bischof hatte seine Einwilligung zu geben. In schwierigen Fällen suchte man Rat in Rom, wo sehr restriktiv entschieden wurde. Widersprüche im Text der Geständnisse, die ja außerhalb der Folter bestätigt werden mußten, wurden von den Kardinalinquisitoren gnadenlos moniert. Überhaupt nahmen diese ihre Oberaufsicht ernst. So schrieb ein Mitglied des Heiligen Offizium im Dezember 1609 an den Inquisitor von Aquileia, er habe beim Lesen der Zusammenfassung eines Prozesses bemerkt, daß bestimmte Antworten nicht in das Protokoll aufgenommen worden seien; überdies seien einem Zeugen unzulässige Suggestivfragen gestellt worden. Auch zur Vorsicht bei der Verhaftung von Verdächtigen mahnte die römische Kongregation, weil allein sie bereits zur sozialen Ausgrenzung führen könne. Manchen erscheint die Römische Inquisition in verfahrensrechtlicher Hinsicht deshalb als «Pionier der frühneuzeitlichen Justizreform» (Tedeschi).
Auch hinsichtlich ihrer Sanktionen genießt sie in der modernen Forschung den Ruf eines moderaten Vorgehens. Die häufigsten Strafen waren Kirchenbußen, die öffentlich in der Sonntagsmesse abgeleistet bzw.
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