Die Insel - Roman
auch seine Wunde wieder aufgeplatzt, denn an seiner linken Brust klaffte ein tiefer Spalt, der aussah wie ein hässlicher, dicklippiger Mund. Ein dünnes Rinnsal Blut lief ihm über den Bauch und unter den Ledergürtel. Etwas von dem Blut hatte es bereits bis auf seinen linken Oberschenkel geschafft.
Die Wunde schien ihn ebenso wenig zu stören wie meine Anwesenheit. Offenbar machte ihm die Situation großen Spaß, was ich an zwei Dingen sehen konnte: An seinem Grinsen und an seinem Ständer.
»So, jetzt komm mal zu mir, mein Hosenscheißer«, sagte er gönnerhaft.
Während ich mich Billies Käfig näherte, sah ich, dass Connie immer noch reglos auf dem Boden lag. War sie bewusstlos, oder tat sie nur so?
Hoffentlich hat sie einen Schädelbruch , dachte ich.
Im nächsten Käfig auf der anderen Seite stand Kimberly, umklammerte die Gitterstäbe und sah mich an. Sie versuchte gar nicht, ihre Blöße zu verdecken. Vielleicht glaubte sie, dass ich sie in der Dunkelheit nicht deutlich sehen könnte, aber das war ein Irrtum, denn sie war viel näher an der Fackel als Connie. Ich sah ihr Gesicht und die gesamte Vorderseite ihres Körpers - den Brustkorb und den Busen
samt Brustwarzen, die mir wie große, dunkle Münzen vorkamen. Ich sah ihren glatten Bauch, ihren Nabel und den flachen Hügel oberhalb ihrer leicht gespreizten Beine.
Am ganzen Körper hatte sie Verletzungen, im Licht der Fackel sah ich überall auf ihrer Haut dunkle Stellen, die wie Kratzer, blaue Flecken und lange, sich überkreuzende Striemen aussahen. Mir wurde ganz heiß vor Wut
»Pass auf, dass er dich nicht kriegt«, sagte Kimberly, während ich an ihr vorbeiging und sie anstarrte. »Lass dich nicht fertigmachen, sonst sind wir alle verloren.«
»Halt’s Maul, da unten!«, brüllte Wesley.
»Töte ihn, Rupert.«
»Ich werd’s versuchen.«
»Ein Wort noch, und euer Mütterchen geht in Flammen auf!«
Kimberly streckte die rechte Hand durch das Gitter und spreizte Zeige- und Mittelfinger.
Ich glaube nicht, dass sie mir das Peace-Zeichen aus der Hippie-Zeit zeigen wollte.
Sie gab mir Churchills Siegesgeste mit auf den Weg.
Genau. Ich weiß , dass es das war. Sie war nicht umsonst die Tochter eines Marineangehörigen und Nachfahr stolzer Sioux-Krieger.
»Bleib nicht stehen«, sagte Wesley.
Ich nickte Kimberly zu und ging weiter bis ans Ende ihres Käfigs. Zwischen ihm und dem von Billie sah ich die Leiter, von der mir die Zwillinge erzählt hatten.
Wesley stand etwa in der Mitte von Billies Käfig. Vor ihm sah ich einen Benzinkanister und einen Pappkarton, in der sich vermutlich seine Wurfgeschosse befanden.
»Okay«, sagte er. »Und jetzt bleib stehen.«
Ich tat, was er verlangte.
Billie stand direkt unter ihm und wurde von der Fackel hell beleuchtet. Der Schein der Flamme tanzte flackernd über ihren Körper, und ihre dunkle Haut, die in dem warmen Licht fast kupferfarben wirkte, glänzte vor Nässe.
Benzin.
Auch ihr Haar war klatschnass und klebte ihr in kleinen Locken ganz dicht am Kopf.
Getränkt mit Benzin.
Aus Benzin bestand auch die dunkle Pfütze auf dem Betonboden des Käfigs. Als ich zu Billie sah, erwiderte sie meinen Blick mit einem Achselzucken.
Sie wirkte wie ein kleines Mädchen, das auf den Boden gepinkelt hatte und sich dafür fürchterlich schämte.
Warum blieb sie bloß mitten in der Pfütze stehen?
Vermutlich, weil Wesley sie dazu gezwungen hatte.
Er musste ihr auch befohlen haben, stillzuhalten, damit er ihr das Benzin über den Kopf gießen konnte.
Bleib stehen, oder ich fackle dich ab.
Und ich hatte kein Wasser, mit dem ich sie löschen konnte. Und das nur, weil ich zu lange bei Erin und Alice geblieben war.
Und weil Connie ihre Eifersucht herausplärren musste.
Ich hätte das Wasser holen müssen.
Billies Toiletteneimer stand in einer der hinteren Ecken ihres Käfigs. Und er war umgedreht. Offenbar hatte sie ihn als Hocker benutzt.
Sie wird verbrennen!
Ich musste Wesley davon abhalten, das Benzin in Brand zu setzen.
»Sieh mal einer an, Rupert«, sagte Wesley zu mir. »Du bist ja ein richtiger kleiner Eingeborener geworden.«
»Was hast du vor?«
»Na was wohl? Zuerst mal dich ausschalten.«
»Ich tue alles, was du verlangst«, sagte ich.
»Wunderbar. Dann lass deine Waffen fallen.«
»Tu’s nicht«, sagte Billie mit klarer, sicherer Stimme. »Du bist unsere einzige Chance.«
»Halt’s Maul, Mütterchen.«
»Er zündet dich an«, sagte ich.
»Lass ihn doch.«
»Nein, das kann ich
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