Die Insel - Roman
nicht.«
Wesley bückte sich, griff mit der linken Hand in die Pappschachtel und holte ein Taschenbuch daraus hervor. Er hielt es mit Daumen und Zeigefinger an einer Ecke des Titelblatts und schob die brennende Fackel darunter.
»Nein!«, rief ich.
Das Buch fing Feuer.
»Tu’s nicht!«
Ich warf Speer und Machete auf den Boden.
Wesley schleuderte das Buch in meine Richtung. Es fiel brennend neben mir ins Gras.
»Fast getroffen!«, verkündete Wesley fröhlich.
»Dummes Arschloch!«, rief ich und trat die Flammen aus.
»Pass auf, was du sagst! Du hast wohl zu oft mit Connie geredet. Das Mädchen ist kein guter Umgang für dich.«
»Was willst du von mir?«, fragte ich.
»Gute Frage. Was will ich wohl? Ich will, dass du deine neue Wohnung beziehst.« Er zeigte mit der Fackel auf einen leeren Käfig neben dem von Billie. »Geh hinein und mach die Tür hinter dir zu.«
Als ich einen Schritt in diese Richtung ging, rief Billie laut: »Nein! Das darfst du nicht machen, Rupert! Wenn er dich einsperrt, ist alles aus.«
»Ich will nicht, dass er dich verbrennt.«
»Sehr schlau von dir, mein kleiner Freund.«
»Du musst ihn da runterholen!«
»Halt’s Maul, Mütterchen, sonst brenne ich dir die Titten weg.«
Billie ignorierte ihn und sah mir in die Augen. »Du musst ihn töten«, sagte sie. »Kümmere dich nicht um mich und töte ihn. Nur so kannst du die anderen retten.«
»Ich habe dich gewarnt!«, schrie Wesley und bückte sich nach seiner Pappschachtel.
»Hey!«, rief ich. »Warte!«
Er sah mich an.
»Wenn du sie verbrennst, kannst du doch nicht mehr mit ihr rummachen.«
Er grinste. »Vielleicht will ich das gar nicht mehr.«
»Na klar. Es macht dir doch Spaß, ihr wehzutun, oder? Wenn sie nicht mehr lebt, spürt sie auch nichts mehr. Sie schreit nicht, sie heult nicht, sie blutet nicht. Ganz gleich, wie sehr du sie quälst und peitscht und …«
»Wozu brauche ich Mütterchen, wenn ich die anderen habe?«, fragte Wesley, aber als er den Arm aus der Schachtel nahm, hatte er nichts in der Hand. »Und wenn ich denen erst mal Kinder gemacht habe, dann habe ich noch mehr.« Er schüttelte grinsend den Kopf. »Die gute alte Thelma. Sie wollte immer Kinder haben. Aber ich nicht! Auf keinen Fall. Kannst du dir vorstellen, ein Kind mit Thelma zu haben? Am Ende hätte es so hässlich ausgesehen wie sie.«
»Mit Billie kannst du wunderschöne Kinder haben. Sieh dir nur Connie an, sie ist der lebende Beweis dafür. Eine solche Frau verbrennt man doch nicht.«
»Da könntest du Recht haben, kleiner Hosenscheißer. Weißt du was? Wenn du jetzt in diesen Käfig gehst, könnte ich ihr vielleicht einen Aufschub gewähren.«
»Okay.«
»Warte«, sagte Kimberly. »Was ist mit Thelma? Wo ist sie?«
Wesley ließ ein gemeines Lachen ertönen. »Stimmt! Ich habe ganz vergessen, dich zu fragen, wie es meiner lieben Thelma geht. Ich hoffe nur, du hast meinem süßen Frauchen nicht wehgetan .«
Ich blickte hinüber zu Kimberlys Käfig. Sie stand an der mir am nächsten gelegenen Ecke und sah mich an. »Es tut mir wirklich Leid«, sagte ich. »Sie wollte mich umbringen und ich … ich bin mir ziemlich sicher, dass sie tot ist. Sie ist in der Bucht untergegangen.«
Kimberly war einen Augenblick lang still, dann murmelte sie: »Ist schon in Ordnung. Ich meine …«
»Was heißt hier ›in Ordnung‹?«, platzte Wesley heraus. »Das ist einfach genial , verdammt noch mal. Was bin ich dir dankbar, dass du mich von der hässlichen Kuh befreit hast! Sie war ja manchmal ganz nützlich, aber … Ich glaube, dass es uns allen ohne sie viel besser geht. Mein Gott, was war sie nur für eine fette Sau. Ein dreifaches Hoch auf unseren tapferen Hosenscheißer! Hipp, hipp, hurra!« Beim Hurra hob er die Fackel hoch in die Luft. »Hipp, hipp, hurra!« Wieder ging die Fackel nach oben. »Hipp, hipp, hurra!«
Und dann fing er an, vor Freude auf Billies Käfig herumzutanzen. Er stampfte mit den Füßen auf den Gitterstäben herum, schwenkte die Fackel in der Luft und kreiste mit den Hüften, wobei er den Unterleib aufreizend nach vorne stieß. Hätte er nicht Angst gehabt, bei der Landung zwischen die Gitterstäbe zu fallen, wäre er wohl vor Freude in die Luft gesprungen.
Ich hoffte inständig, dass er bei seinem Tänzchen ausrutschte und hinfiel. Überlegte mir sogar kurzzeitig, ob ich
nicht den Speer aufheben und versuchen sollte, Wesley damit aufzuspießen, solange er auf dem Käfig herumtanzte. Aber dann ließ er bestimmt die
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