0185 - Unser Hit in Harlem
Ich hab ‘ne mächtige Schwäche für New York, obwohl ich nicht hier geboren bin. Immer, wenn ich mir New York vorstelle, dann sehe ich den Flicken-Teppich vor mir, der bei mir zu Hause in Connecticut vor dem Sofa in der guten Stube lag.
Ich bin nicht sicher, ob Sie wissen, was ein Flickenteppich ist. Meine Mutter war eine sparsame Frau, und selbst der billigste Teppich aus dem Versandkatalog erschien ihr zu teuer. Also nähte sie Stoffreste, wie sie anfielen, aneinander. Er sah bunt und lustig aus, zierte die Wohnstube und erregte die Bewunderung der Nachbarinnen, denn auf den Dörfern in Connecticut pflegt man nicht verwöhnt zu sein. (Übrigens sah ich einen solchen Flickenteppich kürzlich im Schaufenster eines erstklassigen Einrichtungsgeschäftes auf der 5. Avenue. Er wurde als letzter »European-Look« in Wohnkultur bezeichnet und kostete 115 Dollar.)
So wenig der Teppich zu Hause ein wirklicher Teppich war, so wenig ist New York eine Stadt. Es ist aus »Stadt-Flicken« zusammengesetzt.
Eine halbe Millionen Italiener bilden einen Flicken. Rom, Neapel und Sizilien. Ein Teil New Yorks gehört ihnen, und wenn man das Viertel betritt, in dem sie zu Hause sind, dann ist man nur noch dem geographischen Ort nach in Amerika. Italienische Aufschriften an den Geschäften, italienische Gerichte in den Lokalen, italienische Nahrungsmittel in den Läden, italienische Kinder auf den Bürgersteigen und Treppen und italienische Gesänge aus den Fenstern beweisen es: man ist in Italien.
Und so wie es einen Flicken Italien im New Yorker Teppich gibt, so gibt es einen Flicken Tel Aviv, in dem die Juden leben. Es gibt einen Flicken Osteuropa, in dem die Polen, Ungarn, Serben und Russen sich wie zu Hause fühlen. Ein Stück New York gehört den Deutschen, eines den Spaniern und Südamerikanern. Einen großen Flicken bilden die Portorikaner, einen anderen die Chinesen, wenn er auch nicht so groß und ausgeprägt ist wie die Chinastadt im Herzen von San Francisco. In einer bestimmten Ecke sind die Iren zu Hause.
Und wo, so werden Sie fragen, leben die Amerikaner?
Aber alle diese Leute sind Amerikaner. Schon ihre Kinder verlassen die Viertel, in die die Eltern sich geflüchtet haben, um Menschen des gleichen Blutes, der gleichen Sprache in der Nähe zu haben, damals, als sie über Ellis-Island einwanderten in das Land ihrer Hoffnung. Die Eltern bleiben an dem Platz unter den Landsleuten, aber die Kinder gehen. Sie verlernen die Muttersprache, sie heiraten Mädchen oder Männer anderer Einwanderergruppen, und nach zwei, höchstens drei Generationen wissen die Enkel und Urenkel nichts mehr von jenem Stück Italien, Irland, China, Tel Aviv, Osteuropa, das in der riesigen, angeblich so hundertprozentig amerikanischen Stadt New York die Vorfahren aufnahm. Trotzdem sterben die bunten Flicken im Teppich der Stadt New York nie aus. Neue Menschen kommen ins Land und nehmen die Plätze derjenigen ein, die gegangen und gestorben sind.
Fast im Herzen von New York, im nördlichen Teil von Manhattan, ungefähr von der 116. Straße bis an die Ufer des Flusses, der Manhattan von Bronx trennt, liegt eines der größten Stücke im bunten Völkerteppich New York: Harlem, die Negerstadt, und der Fluß, der sie im Norden begrenzt, trägt den gleichen Namen: Harlem River.
Okay, ich denke, Sie haben genug über die Vereinigten Staaten und das Rassenproblem gelesen. Vielleicht verstehen Sie mehr davon, aber ich, ein einfacher FBI-Beamter, ich kapiere nicht, warum es etwas wie ein Rassenproblem überhaupt gibt. Für mich unterscheiden sich die Menschen in zwei Kategorien, in solche, die die Gesetze halten, und solche, die sie brechen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es mir verdammt nebensächlich zu sein, welche Hautfarbe die Leute haben.
Leider gibt's bei uns genug Leute, die anders denken, und ich finde, daß sie unrecht haben. Die Neger sitzen lange genug im Land, und wenn sie als Sklaven vor dreihundert und mehr Jahren ins Land gebracht wurden, so wäre das, finde ich, erst recht ein Grund, jetzt nett zu ihnen zu sein.
Druck erzeugt Gegendruck. Heute ist Harlem eine schwarze Stadt inmitten New Yorks, und wenn die Weißen die Neger nicht in ihren Vierteln sehen wollen, so wünschen die Neger keinen Weißen in den Straßen Harlems zu sehen. Wenn Sie eine weiße Haut haben, so versuchen Sie es einmal, einen weißen Taxichauffeur dazu zu bewegen, sie durch Harlem zu fahren. Tagsüber mag es Ihnen noch gelingen, einen besonders mutigen Mann
Weitere Kostenlose Bücher