Die Inszenierung (German Edition)
endlich ein Bild von ihm.
Er ist schlank. Ohne dürr zu sein.
Ich bin dick, ohne fett zu sein.
Er ist einsfünfundachtzig. Wahrscheinlich einssiebenundachtzig.
Ich bin einszweiundachtzig, wahrscheinlich einsneunundsiebzig.
Seine Lieblingsbeschäftigung: Tauchen.
Meine: Rauchen.
Er hat Hände wie ein Bildhauer.
Ich habe Füße wie ein Fußgänger.
Er hat Augen wie ein Verliebter.
Ich wie ein Betrübter!
Er hat einen viel versprechenden Mund.
Der meine ist vom Fluchen wund! Schluss, du kannst ihn haben!
Ich hab ihn schon.
Er kann dich haben!
Aber ich werde ihm nicht 29 Jahre lang das Frühstück servieren. Immer ans Bett und so weiter.
Frühstücken im Bett ist spießig.
29 Jahre lang das selbe Frühstück ist … ist ungeheuer. Dagegen gibt es nichts!
Ist das wahr: Lieblingsbeschäftigung Tauchen?
Leider.
Du auch?
Leider.
Warum?!
Liebe.
Klar.
Er fotografiert jetzt praktisch nur noch unter Wasser. Da aber fanatisch.
Jetzt schweigen sie länger.
Das kommt von seiner trockenen Beschäftigung. Software-Bastler!
Software-Entwickler, bitte. Ganze Hotelketten würden ohne Vinze im Chaos versinken.
Er könnte uns fotografieren. Ganz harmlos. Die Nachtschwester und der bekannte Patient.
Ja!! Unter Wasser!
Du an mir emporwachsend wie eine Pflanze, die mich oben umarmt.
Wenn du mich wieder richtig siehst, liebst du mich nicht mehr.
Ich habe dich, bevor ich dich richtig sah, ertastet. Ganz und gar.
Meine Nase …
Was ist mit deiner Nase?
Egal. Ich muss mit ihr leben.
Du musst nur mit mir leben. Nur mit mir.
Und gestern, ich will mir eine Hose kaufen, gibt die mir eine in die Kabine, zwei Nummern zu groß! Ich sag ihr das und gebe die Hose hinaus. Sie, zur Kollegin, so dass ich es hören muss: Kein Arsch und keine Schenkel!
Du hast alles, was ich will!
Ich liebe dich leider sehr.
Ich dich viel mehr.
Ich hoffe, Vinze verkraftet das.
Ich hoffe, Gerda verkraftet das.
Verkrafte ich das? Ich verkrafte das! Die Krankenhausmaus und der Promi-Regisseur!
Wenn wir reisen, und der Zug kommt nicht, lachen wir laut.
Wenn angesagt wird, der Rückflug ist gestrichen, rufen wir: Bravo.
Wenn sie sagen, morgen geht die Welt unter, sagen wir: Aber ohne uns!
Wenn sich überhaupt niemand mehr um uns kümmert, wissen wir: Wir sind im Paradies gelandet!
Wenn ich lieb bin zu dir, kannst du lieb sein zu Gerda. Hast du das gesagt?
Ich habe dich gefragt, wie du das findest.
Du willst es dir mit Dr. Gerda nicht verderben, klar.
Wer glücklich ist, kann einen anderen nicht unglücklich sehen.
Geht mir mit Vinze ganz genau so.
Jetzt muss ich Anton den Großen korrigieren. Mit einem schönen Gruß von Ute-Marie Wiese. Alle diese elend an einander Unglücklichen sollen glücklich sein, weil sie lieben. Weil sie noch lieben! Ich lasse sie glühen, blühen und sprühen!
Und wenn ich’s nicht verkrafte?!!
Dann sag ich: Denk an unsere erste Nacht.
Wie war die?
Du hast dir das Kissen ins Gesicht gepresst, um deinen Schrei zu ersticken.
Ich kann ja hier auf der Station nicht schreien, oder?
Stößt du immer solche Schreie aus, wenn du mit einem schläfst?
Hör jetzt auf mit dem Schweinekram.
Schweinekram!
Man hört den Piepton. Ute-Marie springt auf.
Sicher wieder der Allgäuer mit den geschwollenen Hoden.
Sie rennt zur Tür, schaut hinaus auf die Anzeigentafel, kommt wieder herein und sagt:
Nein, die Baronin mit dem künstlichen Ausgang. Bis später, Schatz!
Und i‡t draußen.
Augustus greift nach der Brille mit den dunklen Gläsern und nach dem Aufnahmegerät. Er möchte etwas sagen, etwas festhalten. Er sagt:
Lydia, Max Stallhofer darf sich nicht einbilden, er habe mich besiegt, nur weil ich bei dem langen Trigorin-Text gekippt bin. Sollte sich dieser Eindruck bei ihm fixiert haben, musst du unauffällig daran arbeiten, diesen Eindruck zu löschen. Du kannst die Inszenierung nur weiterführen, wenn du das, was Max Stallhofer und mich verbindet beziehungsweise trennt, ganz und gar durchschaust. Es war ein Zweikampf, kein Duell. Keine Regeln, kein Ritual, die pure Feindschaft. Lydia, ich erinnere dich an die erste Leseprobe. Alle Mitwirkenden haben den Text in der Hand, tasten sich vorsichtig an den Text heran, wissen noch nicht, wie sie sich diesen Text aneignen sollen oder können, aber Max Stallhofer kommt mit kompletter Textbeherrschung. Lydia, das war eine Kriegserklärung. Er ist Herr der Trigorin-Rolle. Er braucht mich nicht. Und dann seine andauernden fiesen Kommentare über die
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