Die Judas-Papiere
des Petrus an Philippus und die Apoka lypse des Jakobus sowie eine andere Schrift, die der Wissenschaft schon aus dem bedeutenden Handschriftenfund von Nag Hammadi am Toten Meer im Jahr 1945 bekannt waren. Der unbekannte Teil, der in koptischer Sprache verfasst war und später den Namen Judas-Evangelium erhalten sollte, wurde von den Forschern vorläufig als Book of Allogenes bezeichnet.
Die Reise der Papyri ging über dunkle Kanäle und auf verworrenen Wegen erst nach Kairo, dann nach Genf und New York und schließ lich nach Basel, wo sie erst einmal jahrelang in der Maecenas-Stiftung für antike Kunst verschwanden. Die Datierung, Entzifferung und Konservierung der Judas-Schriften, die sich in einem äußerst schlechten, brüchigen Zustand befanden und schon bei der kleinsten Berührung zu zerfallen drohten, nahmen viele Jahre in Anspruch und spielten sich hinter den verschlossenen Türen der Konservatoren und Forscher ab. Dabei konnten nur etwa 80 Prozent der Texte gerettet werden.
Unstrittig ist, dass der Fund der Judas-Schriften unter Wissen schaftlern, die das antike Christentum erforschten, als eine phäno menale Entdeckung gilt. Unstrittig ist auch, dass es sich dabei um ei ne Art »kainitische Gegenbibel« einer gnostischen Sekte handelt. De ren Lehre war der Fachwelt jedoch schon gute 1200 Jahre bekannt. Nicht nur Irenäus von Lyon, sondern auch viele andere mit und nach ihm gingen in ihren Abhandlungen ausführlich auf diese Lehre ein und verwarfen sie als Häresie einer unbedeutenden Splittersekte. Dass die Schriften dann jedoch den Rang einer scheinbar brandneu en Weltsensation erhielten und zu einem Evangelium erhoben wur den, hat wenig mit ihrem Inhalt zu tun, dafür aber umso mehr mit der Präsentation durch die amerikanische National Geografic Society und dem daraus resultierenden Presserummel. Am 9. April 2006 ver öffentlichte diese Gesellschaft weltweit auf ihren Fernsehsendern in einem exzellent gemachten, aber deutlich sensationsheischenden zweistündigen »Docu-Special« die Ergebnisse der langjährigen Un tersuchungen. Das Medienecho war dementsprechend, in vielen tendenziösen Berichten auch unseriös.
Ausgewiesene und seriöse Experten des antiken Christentums, atheistische wie christliche, sehen jedoch die hochgespannten Erwartungen derjenigen enttäuscht, die sich von dem Text eine grundlegende Neubewertung der historischen Personen Jesus und Judas erwartet oder erhofft haben. Als Beispiel unter Dutzenden von anderen ähnlich lautenden Beurteilungen seien hier nur zwei Vertreter aus dem Kreis der Experten kurz erwähnt. So teilte der Heidelberger Theologe Klaus Berger mit, in der gnostischen Literatur sei es üblich, alle negativen Aspekte der Bibel ins Positive zu wenden. Diese »gnostische Umwertung« sei der Wissenschaft bereits seit Langem bekannt. Auch der Berliner Handschriftenexperte Hans-Gebhard Bethge äußerte, der Text enthalte keine neuen historischen Erkenntnisse über das Leben Jesu und seiner Jünger und werde den vier biblischen Evangelien nicht den Rang ablaufen, und schon gar nicht werde er das Neue Testament umschreiben. Er werde jedoch das Wissen über das Phänomen der Gnosis bereichern.
Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass es sehr wohl einzelne Theologen gibt, die sich dafür aussprechen, Judas in den Stand eines Heiligen zu erheben. Denn dass Jesu Auslieferung durch Judas heils notwendig war, wird von allen anerkannt. Durchgängig wird von der Mehrheit der Historiker und Kirchenforscher dem Judas-Evangelium jedoch keine Relevanz für den christlichen Glauben zugesprochen und eindrücklich belegt, dass die angebliche Brisanz des Textes nur eine Medienblase und wissenschaftlich nicht haltbar ist.
Wer sich genauer mit allen Aspekten des Judas-Evangeliums be schäftigen und auch die deutsche Übersetzung des gesamten Textes samt Erklärungen lesen möchte, dem sei im Internet die Website Kir che & Theologie im Web , zu finden unter der Adresse www.theolo gy.de, hier wärmstens empfohlen. Auch auf vielen anderen theologischen und kirchlichen Sachgebieten hält diese Website für den Interessierten eine Fülle von Informationen und Beiträgen unterschiedlichen Spektrums bereit. In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch sogleich bei Dr. Otto Ziegelmeier, dem Begründer und Geschäftsführer der Website, für seine großzügige Unterstützung be danken. Sie hat mir die Arbeit in Bezug auf die apokryphen Schriften und das Judas-Evangelium sehr erleichtert.
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