Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
keine Angst!«, sagte Rienzi zu seinem Gefährten. Der Papst hatte ihm anvertraut, was geschehen würde.
Sie schauten in der Kälte auf die Stadt. Plötzlich schossen im Norden riesige Flammen in den Nachthimmel. Ein Mineralöllager war explodiert. Die Mafia hatte Benzin abgezweigt, und dabei war irgendetwas schiefgegangen. Und weil es weder Feuerwehr- noch Polizeieinheiten gab, die das Feuer hätten löschen können, breiteten sich die Flammen aus und sprangen, angefacht vom kalten Wind, von Gebäude zu Gebäude. Ganze Straßenzüge brannten lichterloh.
Eine der ältesten Städte auf Erden ging in Flammen auf. Rom hatte viele Brände erlebt, darunter den, als die Gallier die Hauptstadt plünderten und fast niemand am Leben ließen. Doch die Stadt schien es vergessen zu haben. Jetzt wurde ihr Gedächtnis aufgefrischt. Der Kardinal aus Mailand drehte sich zu Rienzi um.
»Ich glaube, ich bin dabei, meinen Glauben an Gott zu verlieren.«
»Tun Sie’s nicht!«, erwiderte Rienzi. »Diese Welt und all diese Katastrophen sind nichts. Gott ermahnt uns, unser Vertrauen nicht auf irdische Dinge zu setzen.«
»Aber das Inferno wird schon bald den Petersdom erreichen, wir können sterben!«
»Mag ja sein«, antwortete Rienzi, »aber die Religion ist nicht mit Gebäuden gleichzusetzen.«
Während er die Feuersbrunst betrachtete, wurde ihm klar, dass er einen Fehler im Leben gemacht hatte: Er hatte die äußeren Symbole der religiösen Gebote mit der inneren Wirklichkeit verwechselt. Religion – das waren nicht prächtige Gebäude und schöne Gemälde, das bedeutete nicht, Menschen zu überreden, Geld zu spenden, damit die spirituelle Elite komfortabel leben konnte, bedeutete nicht, sich in bizarre Gewänder zu kleiden, bedeutete nicht stilisierte Rituale mit jeder Menge Flehen und Bitten an einen abwesenden Gott.
Und Religion bedeutete auch nicht, Steine lecken, sich Kleider vom Leibe reißen, gespielte Kreuzigungen, fasten und dann prassen. Nicht Zettelchen in eine alte Mauer stecken, um einen leeren Kasten herumschreiten, endlose Wiederholungen oder Verbeugungen und Niederknien wie ein nickender Esel.
Religion war die Metamorphose des Individuellen, Persönlichen und Einzigartigen jeder Seele, und sie gründete auf dieser einen Seele, die Gott wählte, und auf der Güte, die er repräsentierte. Es war ein Ausländer, ein Chinese, gewesen, der Rienzi dies wahrhaft zu Bewusstsein gebracht hatte.
»Wir müssen dem Papst sagen, was geschieht.«
»Er weiß es bereits«, bemerkte Rienzi trocken. »Er hat es bereits vor langer Zeit gewusst.« Während er die Feuersbrunst beobachtete, flackerte ein Bild in ihm auf. Er sah einen Mann, der einen Berg hinaufsteigt, hinter sich gespannte Seile – Millionen davon. An diesen Seilen hingen Menschen.
Rienzi erkannte unter ihnen sein eigenes Gesicht. Der Papst hatte eine gute Wahl getroffen.
* * *
In seinem Schlafzimmer verlangsamte sich die Atmung Johannes’ XXVI . Ein Engel erschien am Fußende des Bettes.
»Rom brennt.«
Der Seraph blickte auf die Bibel in der ausgestreckten Hand des Papstes. Er blätterte um, um zur richtigen Stelle zu gelangen.
Denn Staub bist du, und zum Staub musst du zurück
.
Matt blätterte der Papst zu einer anderen Passage. Träumte er?
Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens.
»Du irrst«, antwortete der mächtige Krieger. »Sehe ich besiegt aus? Aus dem Nichts wurdest du geschaffen, und ins Nichts wirst du zurückkehren. Gott hat Milliarden von Welten. Warum sollte ihn deine interessieren?«
»Warum tust du das?«
»Spielt das eine Rolle?«, antwortete Satan, dessen Stimme im Herzen des Pontifex ertönte. »Nicht ich habe das Böse hervorgebracht. Es kam von Gott.«
Johannes XXVI . schloss die Augen. Das Virus des Bösen hatte viele Engel angesteckt, und sie hatten es auf Menschen übertragen. Das Virus würde sie beide töten. Doch es gab Hoffnung. Satan fehlte das göttliche Element, das der Herr dem Menschen geschenkt hatte: Er war nicht drei Personen.
»Es gibt nichts, was du oder ich tun könnten«, sagte Satan. »Der Baum des Lebens ist infiziert. Und er steckt all die unzähligen Welten an, die an ihm hängen.«
Der Papst wandte den Kopf von seinem Peiniger ab und blickte vom spirituellen Bergvorsprung, auf dem er stand, hinab.
»Josua.«
Im Kloster in der Wüste, schlafend, befand sich Josua wieder an der Nordwand des spirituellen Eigers. Er klammerte sich an das einzige Seil, das ihn
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