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Die Jungens von Burg Schreckenstein

Die Jungens von Burg Schreckenstein

Titel: Die Jungens von Burg Schreckenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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„Gießkanne“ genannt, konnte dieses Lied nämlich nicht leiden, wenigstens nicht, wenn wir es sangen. Die Wirkung blieb nicht aus. Bereits nach den ersten Takten erschien ein mürrisches Lehrergesicht am Fenster. Wie im Kasperletheater tauchte einer nach dem andern von unten her auf, bat um Ruhe und verschwand wieder. Doch vergebens, denn je kleiner die Schlange vor Simonis Laden wurde, desto lauter der Gesang vor dem Rathaussaal. Schließlich kam Doktor Waldmann herunter, um uns wegzuschicken. Er war ein eigenartiger Mensch. Einmal streng und unnahbar, ein andermal wieder nett und lustig. Da er sich zuletzt im Unterricht von seiner guten Seite gezeigt hatte, bestürmten wir ihn sofort mit Fragen nach dem Grund der geheimnisvollen Versammlung.
    „Wenn ihr mir versprecht, augenblicklich ruhig zu sein, sage ich es euch! Ihr bekommt eine neue Schule!“ Auf diese Enthüllung hin wurde es zunächst noch lauter, bis Dampfwalze fragte:
    „Und was tut der Graf dabei?“
    „Der gibt uns die Schule. Wir ziehen um in sein Schloß!“ erklärte Doktor Waldmann in der Hoffnung, uns damit endgültig zur Ruhe zu bringen.
    „Burg Schreckenstein? Aber die ist doch mindestens vierzig Kilometer weit weg!“ entrüstete sich Dampfwalze, und das Muttersöhnchen Strehlau jammerte:
    „Da kommen wir ja gar nicht mehr heim!“
    „ Muuu-Muuu !“ machten alle zu dem Muttersöhnchen-Musterschüler, bis Doktor Waldmann fortfuhr:
    „Darum geht es eben. Ihr müßtet auf der Burg wohnen, deswegen haben wir eure Eltern zusammengerufen!“
    „Wir auf der Raubritterburg Schreckenstein! Mensch, das war’ ’ne Wolke!“ sagte Mücke und rollte die Augen, während der Doktor wieder ins Rathaus ging. Er hatte sein Ziel erreicht, die Beratung der neuen Situation war so wichtig, daß niemand mehr an Singen dadite . Mücke hatte vollkommen redit :
    „Wir auf der Burg, das wär ’ ’ne Wolke!“
    Und so kam es auch. Graf Bodo von Schreckenstein, der fortan nur noch Mauersäge hieß, hatte der Stadt seine Burg als Schulraum zur Verfügung gestellt. Unsere Eltern einigten sich, neben dem Schulgeld für unseren Unterhalt monatlich eine Summe zu zahlen, die ungefähr dem entsprach, was wir zu Hause sowieso kosteten. Und so fuhren wir alsbald mit einem Omnibus voller Koffer und Sportgeräte in das Raubritternest.

Schreckenstein ist eine Wolke

    Die Burg Schreckenstein lag auf einem Hügel, umgeben von Wald und nicht weit von einem See entfernt. Alles, was man sich nur wünschen konnte, war vorhanden: Türme, Zinnen, Schießscharten, Wehrgänge, der Burggraben, zwei große Tore und eine richtige Folterkammer. Wir wurden in Zimmergemeinschaften zu vier bis sechs Mann eingeteilt, und jeder Flügel beziehungsweise jedes Stockwerk unterstand einem Lehrer. Es war schon ein komisches Gefühl, plötzlich Tür an Tür mit seinen Erziehern zu leben.
    Ganz Neustadt schien sich am Aufbau der Schule zu beteiligen. Eine Möbelfabrik hatte statt der altmodischen Bänke Tische und Stühle gestiftet, so daß wir im Unterricht nicht mehr wie in der Schule, sondern wie in einer Konferenz dasaßen. Dampfwalzes Mutter hatte aus ihrer Wirtschaft einen Koch abgestellt. Er hieß Heini und kochte, daß allein schon der Gedanke an die Mahlzeiten ein Festessen war. Täglich gab es neue Rekorde: acht Eier in Senfsoße, zwölf Frikadellen mit Kartoffelbrei — den absoluten Rekord hielt jedoch Ottokar mit vierzehn Königsberger Klopsen! Das war aber nicht seine einzige Leistung. Mit Hilfe der väterlichen Elektrohandlung bastelte er die gesamte Klingel- und Telefonanlage für die Schule, während wir auf der großen Wiese neben dem Kappellsee einen Sportplatz anlegten. Hierbei erwies sich Doktor Waldmann, der den Bau leitete, als fachkundiger Architekt. Von dieser Seite hatten wir ihn bisher gar nicht gekannt. Überhaupt entwickelten unsere Lehrer plötzlich Eigenschaften, die wir nie hinter ihnen vermutet hätten. Sie waren durch die Bank viel begabter, als sie im Schulunterricht zu erkennen gaben. Auch der Rex zeigte sich von einer völlig neuen Seite.
    „Solange nichts beschädigt wird und niemand darunter zu leiden hat, könnt ihr herumtoben, soviel ihr wollt!“ hatte er gleich bei der ersten Schulversammlung verkündet, und daran hielten wir uns. Irgendwie war der Schreckenstein gar keine Schule mehr, sondern eben „unsere Burg“! —
    Mauersäge, der Hausherr, ließ uns völlig in Ruhe und wir ihn zunächst auch. Er war ein komischer alter Herr und bewohnte eine

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