Die Jungfernbraut
spielen dürfte, nachdem Colin dein Geld ja inzwischen sicher in der Tasche hat.«
Sie blickten ihm nach, als er neben einem offenen Wagen herritt, auf dem Tante Arleths Sarg stand, der in eine schwarze Decke gehüllt war.
»Er ist mein Onkel«, murmelte Colin, »und ich hatte ihn nicht mehr gesehen, seit ich ein fünfjähriger Junge war. Er ist zum viertenmal verheiratet, und er hat viel mehr als sieben Kinder. Diese sieben sind von seiner derzeitigen vierten Frau. Sobald eine Frau stirbt, weil sie durch zu viele Schwangerschaften hintereinander ausgelaugt wurde, heiratet er die nächste und setzt unverdrossen weitere Kinder in die Welt. Er ist ein erbärmlicher Wicht.«
Niemand widersprach ihm.
»Du siehst ihm ein bißchen ähnlich«, sagte Douglas. »Seltsam, daß er so gut aussieht und doch einen so üblen Charakter hat.«
Sinjun lehnte sich an Colins Brust. »Was machen wir jetzt?«
»Was mich am meisten stört, ist die Tatsache, daß jemand so einfach ins Schloß gelangen konnte, um Tante
Arleth zu ermorden. Serena kann die Tat nicht begangen haben, zumindest hoffe ich das von ganzem Herzen.«
»Nein, sie kann es unmöglich gewesen sein«, bestätigte Douglas. »Ich habe mir in jener Nacht ihre Oberarme genau angeschaut. Sie hat überhaupt keine Muskeln. Sinjun hätte so etwas schaffen können, nicht aber Serena.«
Diese Bemerkung war nicht nach Colins Geschmack, wie sein Stirnrunzeln deutlich machte, aber Douglas zuckte nur mit den Schultern.
»Es stimmt schon, Colin«, sagte Sinjun. »Ich bin sehr kräftig.«
»Ich weiß.« Colin küßte seine Frau seufzend auf die Stirn.
Sinjun saß im Stroh und spielte mit den Jungen, die eine Stallkatze mit dem irreführenden Namen Tom vor etwa einem Monat in einer leeren Box geworfen hatte. Sie hörte Ostle im Gespräch mit Crocker, und sie hörte Fanny in der übernächsten Box schnauben, womit die Stute zweifellos ihren Wunsch nach frischem Heu kundtat.
Sinjun war müde, aber auch angenehm benommen, obwohl sie wußte, daß sie ihre Angst nur verdrängt hatte. Colin hatte eine Besprechung mit Mr. Seton, und ihre Brüder verrichteten zusammen mit den Pächtern harte körperliche Arbeit. »Das übt auf mich eine beruhigende Wirkung aus«, hatte Ryder seiner Frau erklärt.
»Auch Douglas hatte das Bedürfnis zu schwitzen«, hatte Alex gesagt. »Sie müssen irgendwie ihren Frust abreagieren. Schließlich sind wir in den zwei Tagen seit Tante Arleths Tod überhaupt nicht weitergekommen.«
Während ihre Schwägerinnen sich daran machten, alle Türen im Schloß auf mögliche Spuren zu untersuchen, hatte Sinjun das Bedürfnis nach etwas Ruhe verspürt. Es entspannte sie, mit den Kätzchen zu spielen. Zwei der Winzlinge kletterten gerade an ihrem Rock hoch und machten es sich schnurrend und mit den scharfen Krällchen knetelnd auf ihrem Schoß bequem.
Sinjun streichelte sie geistesabwesend. Ostles Stimme schien jetzt aus weiter Ferne zu kommen, und auch Crocker war kaum noch zu hören. Sogar Fannys unzufriedenes Schnauben drang nur noch gedämpft an ihre Ohren, und sie schlief ein.
Als sie aufwachte, war nicht viel Zeit vergangen. Die Kätzchen schliefen auf ihrem Schoß. Die Sonne stand hoch am Himmel, und durch das große Stallfenster fielen ihre Strahlen ungehindert ein.
MacDuff kauerte neben Sinjun.
Sie schüttelte den Kopf und lächelte ihm zu. »Hallo, was für eine herrliche Überraschung! Ich stehe sofort auf, um dich gebührend zu begrüßen, MacDuff.«
»O nein, Sinjun, bleib ruhig liegen. Du mußt Rücksicht auf die Kätzchen nehmen. Schlaue Kerlchen, nicht wahr? Ich setze mich einfach neben dich.«
»Wie du willst.« Sie gähnte herzhaft. »In letzter Zeit ist soviel passiert, und da wollte ich ein Weilchen allein sein. Hast du Colin schon gesehen? Weißt du, daß Tante Arleth ermordet worden ist? Bist du hergekommen, um uns zu helfen?«
»O ja.« Er hob die schlafenden Kätzchen behutsam hoch und legte sie auf eine alte Decke. Dann ballte er plötzlich die Faust und versetzte Sinjun einen kräftigen Kinnhaken.
Colin sah sich im Salon um. Es war Spätnachmittag, und alle hatten sich zum Tee versammelt.
»Wo ist Joan?« fragte er.
»Ich habe sie seit dem Mittagessen nicht mehr gesehen«, sagte Sophie, »und Alex auch nicht. Wir waren nämlich den ganzen Nachmittag zusammen.«
»Ja, wir haben nach Spuren gesucht«, bestätigte Alex. »Wir wollten herausfinden, durch welche Tür der Mörder ins Schloß gelangt ist. Aber wir konnten nichts
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