Die Juweleninsel
Besinnung komme, liege ich zerschunden und zerschlagen draußen vor dem Theater, die Kanonenstiefeln krümmen sich vor mir, als ob sie Kolik und Leibschmerzen hätten, die Meerschaumpfeife hatten sie mir in die Zipfelmütze gewickelt, aber der Stiefel, der Kopf und die Spitze waren nicht aufzufinden gewesen, rechts vor mir steht der Schimmel und macht ein Gesicht, als ob er das Chor der Rache verschlungen habe und nicht wieder von sich bringen könne, und links steht ein Polizeidiener, der nur darauf gewartet hat, daß ich wieder zu Athem kommen soll, um mich nachher zu arretiren.«
»Hat er Dich denn wirklich mitgenommen?«
»Natürlich; mich sammt dem ganzen Schimmel! Ich mußte auf die Polizeiwache, bekam einen fürchterlichen Verweis, aus dem sich der Schimmel gar nichts, ich mir aber sehr viel machte, und dann trollte ich mich von dannen. Draußen aber vor der Stadt ließ ich den Schimmel halten, reckte alle zehn Finger und auch die Kanonenstiefel zu den Sternen empor und that den grimmigen Schwur, in meinem ganzen Leben niemals wieder eine solche Bestie zu besteigen, denn in wie fern denn und in wie so denn, ich hatte mit diesem einen Male mehr als genug!«
»Aber wie war es nachher beim Militär?«
»Ich wurde für die Reiterei ausgehoben und kam zu den Husaren, wurde aber später zur Infanterie versetzt. Das war eine böse Zeit, die ich niemals vergessen werde.«
»Warum versetzt?«
»Weil ich nicht auf das Pferd zu bringen war. Und schafften sie mich ja einmal links hinauf, so machte ich sofort, daß ich schleunigst rechts wieder herunter kam. Dem Pferde ging es dabei gut, mir aber desto schlechter, denn in wie fern denn und in wie so denn, mein Rücken sah stets himmelblau und im Arrestlokal hatte ich mein immerwährendes Standquartier.«
»Und wie ging es bei der Infanterie?«
»Besser, nämlich bis der Krieg kam. Ich bin stets ein alter seelenguter Kerl gewesen und kann nicht dazu kommen, einen Menschen zu erschießen oder das Bajonnet durch den Leib zu rennen. Als daher die Kanonen anfingen zu brummen und ich auch mit todtschlagen sollte, da that ich, als hätte mich eine Kugel getroffen und legte mich in einen Graben. Aber da kam die Kavallerie herangesaust; es waren Kürassiere, und das Pferd eines Wachtmeisters trat mir auf das Knie, hols der Teufel! Die Unsrigen wurden zurückgeworfen, und als ich mich davon machen wollte, fielen ein paar feindliche Hallunken über mich her. Ich sollte mit und wollte nicht. Der Eine holte mit dem Säbel aus, und weil ich mich in diesem Augenblicke umdrehte, so traf die Klinge nicht meinen Rücken, sondern sie fuhr mir an dem Gesichte vorbei und nahm mir die Nase weg. Ich habe sie gar nicht wieder gefunden, und an dem ganzen Unglück ist hier der lange Klaus schuld, denn er ist der Wachtmeister gewesen, dessen Pferd mich getreten hat, so daß ich nicht ausreißen konnte. Und nachher wurde mir auch das Bein abgeschnitten, weil der Brand dazugekommen war.«
»Laß es gut sein, Alter,« meinte der andere Knappe. »Ich konnte ja nicht dafür, denn ich hatte Dir ja nicht geheißen, Dich in den Graben zu legen. Und da wir uns einmal zusammengefunden haben, werde ich Dich auch nie wieder verlassen.«
Er reichte ihm die Hand, welche Brendel mit sichtbarer Rührung drückte. Der alte Wachtmeister hatte nun bereits seit langen Jahren treu zu ihm gehalten und stets so an ihm gehandelt, daß es ihm leichter wurde, den Verlust seines Beines und seiner Nase zu ertragen.
Das Essen war beendet und die Leute erhoben sich, um wieder an ihre Arbeit zu gehen. Anna, die Tochter, war noch mit Abräumen beschäftigt, als ein Reiter durch die Schlucht kam, bei dem Anblicke des hübschen Mädchens stutzte und dann sein Pferd in schnelleren Gang versetzte. Vor dem Tische hielt er an und stieg ab. Sie sah, daß es ein vornehmer Herr sein müsse.
»Guten Tag, mein schönes Kind!« grüßte er. »Darf ich fragen, wer Du bist?«
»Ich bin die Tochter des Müllers,« antwortete sie.
»Das ist nicht wahr. Der Müller hat gar keine Tochter!«
»Ja, der vorige!«
»Ach so!« meinte er, sich besinnend. »Es ist ja ein neuer Müller hier. Wo ist er her?«
»Von drüben herüber, aus Norland.«
»Ah! Wie heißt er?«
»Uhlig.«
»Und Du?«
»Anna.«
»Ein hübscher Name, mein Kind! Kann man bei Euch ein Glas Milch bekommen?«
»So viel Sie wollen.«
»So bringe es mir dort in jene Laube!«
Er band sein Pferd an den nächsten Baum und schritt der Laube zu. Nach einiger Zeit
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