Die Juweleninsel
Stadt. Ich setzte mich auf den Schimmel, ritt fort und kam auch wohlbehalten an. Weil ich aber sehr viel zu besorgen hatte, konnte ich erst spät an die Rückkehr denken. Ich mußte über den Theaterplatz, den mein Schimmel sehr gut kannte. Unglücklicherweise wurde ein Stück gegeben, welches ich damals noch gar nicht kannte, das ich mir aber nachher mit angesehen und genau gemerkt habe, denn in wie fern und in wie so, es hat mich ins Malheur gebracht und ist schuld an dem Gelübde, welches ich gethan habe.«
»Wie heißt das Stück?«
»Es heißt ›die Stumme von Portici,‹ und es kommt ein Kerl darin vor, ein gewisser Masaniello, ein Fischer, der Rebellion macht und auf einem lebendigen Pferde auf die Bühne geritten kommt. Dazu nun war früher mein Schimmel gebraucht worden, und er kannte nicht nur das Stück und die Musik, sondern auch den Weg von der Straße bis hinauf hinter die Koulissen ganz genau.«
»Aha!«
»Ja, nun kommt es, das Unglück! Also ich reite über den Theaterplatz; da fangen auf einmal drinnen die Pauken, Trommeln und Trompeten an, und es beginnt eine Musik, die meinem Schimmel bekannt vorkommen muß, denn in wie fern denn und in wie so denn, er spitzt die Ohren, fängt an zu schnauben, steigt in die Höhe und schüttelt ganz bedenklich mit dem Kopfe. Wieder wirbelt, klingt und donnert es drinnen los, und das Volk von Neapel singt die Worte, die ich nachher auswendig gelernt habe, weil sie schuld an meinem ganzen Peche sind:
›Geehrt, gepriesen
Sei der Held, den Ruhm bekränzt!
Frieden gab uns der Sieger,
Von Edelmuth umglänzt!‹
Es war gerade, als ob der Schimmel diese Worte auch auswendig gelernt hätte. Er hatte oft da oben gestanden, als ›Held und Sieger,‹ von ›Edelmuth und Ruhm bekränzt,‹ und nun gab es kein Halten mehr. Ich konnte schreien, rufen, ziehen, zerren, schimpfen und fluchen, mit Händen und Füßen stampfen und strampeln, wie ich wollte, es half nichts, denn in wie so und in wie fern, wenn so eine Kreatur infam werden will, so wird sie infam.«
»Also er ging durch?«
»Natürlich! In drei Ellen langen Sätzen flog er auf das Theater zu. Ich stand noch im letzten Lehrjungenjahr und hatte mir, um groß zu thun, dem alten Müller seine Meerschaumpfeife wegstibitzt und seine großen Kanonenstiefeln dazu, die mir um die Beine schlotterten, wie ein Paar alte blecherne Ofenrohre um eine Bohnenstange, wenn man die Sperlinge vertreiben will. Eine weiße Mehlhose, eine weiße Mehljacke und eine weiße Zipfelmütze, so saß ich auf dem weißen Gaule. Dieser kannte seinen Weg sehr genau. Wie ein Affe kletterte er an der Treppe empor, die jetzt beinahe wie eine Brücke aussah. Dann ging es einen engen Gang hinter, auf dem nur eine einzige Lampe brannte und wo ich mich auf allen Seiten stieß und quetschte. Nachher wurde es lichter; ich sah die Koulissen und die strahlende Bühne. Dort war ein ganzer Haufe Volks versammelt; Masaniello wurde auf seinem neuen Schimmel vorgeführt, und der Triumphzug sollte beginnen. O weh!«
»Du bist doch nicht etwa hinaus auf die Bühne?«
»Wohin denn sonst? Der Schimmel war ja hartmäulig! Mit der Linken mußte ich die Meerschaumpfeife festhalten, und mit der Rechten hatte ich mich an das Viehzeug geklammert, daß es nicht parterre mit mir gehen sollte. Da fängt drin das Chor der Rache nach derselben Melodie von vorhin zu singen an:
›Noch heute soll der Stolze büßen,
ich schwörs, obgleich ihn Ruhm bekränzt!
Der feindliche Stahl trifft den Sieger,
Wenn auch Hoheit ihn jetzt umglänzt!‹
Da macht mein Schimmel einen Riesensprung, den man eine Lançade nennt, und im nächsten Augenblicke fliege ich mit ihm mitten in das Volk von Neapel hinein; meine Meerschaumpfeife fliegt dem Rebellen Masaniello ins Gesicht, mein rechter Stiefel wirbelt links und der linke wirbelt rechts vom Beine herunter, der eine in die Musikanten und der andere gar in die Zuschauer hinein, denn in wie fern denn und in wie so denn, sie waren mir ja viel zu groß und weit; der richtige Schimmel beißt nach dem falschen, und der falsche schlägt nach dem richtigen; es wird ein Heidenskandal, Mordspektakel; das ganze Volk von Neapel mit dem ganzen Chor der Rache stürzt auf mich herein und reißt mich vom Pferde; der Vorhang fällt dem geehrten Publikum vor der Nase zu; das ›Ehrikum‹ sitzt draußen und brüllt vor Lachen; ich aber werde von sechzig Fäusten ›durchgepubelt,‹ daß mir die Schwarte knackt, und als ich wieder zur
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