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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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E RSTES K APITEL
    I ch stand in einem Weizenfeld. Die frische Brise, die darüber hinwegstrich, ließ die borstigen Ähren gegen meine ausgestreckten Hände schlagen, ließ mein Haar wehen und zerrte an meinem schweißfleckigen Hemd. In diesen letzten Augenblicken vor dem Sonnenaufgang herrschte erwartungsvolle Stille.
    Dann erhellte weit hinter den Feldern – in der Nähe der Straße, die sich von Venitte die Hügel hinunterschlängelte – ein gleißendes Licht die Dunkelheit. Orangefarbenes Feuer wölbte sich gen Himmel. Ich verspürte einen Anflug von Kummer, einen wiederkehrenden Schmerz, der sich mit jedem Mal tiefer bohrte. Er wühlte in meiner Brust und brannte mir in den Augen, doch ich biss die Zähne zusammen, während ich zusah, wie das Feuer den höchsten Punkt am Himmel erreichte und dann seinen langen und langsamen Abstieg begann, tiefer und tiefer sank, bis es zwischen Olivenbäumen explodierte.
    Als das Licht beim Einschlag aufloderte, sah ich eine Heerschar, die über das weite Feld heranmarschiert kam. Gleich darauf vernahm ich Schreie, gedämpft von der Entfernung.
    Der Schmerz wühlte tiefer in meiner Brust.
    Ich eilte los, noch ehe ich eine bewusste Entscheidung traf. Durch das Weizenmeer rannte ich zur Straße, dass die Halme mir gegen die Beine peitschten. Wieder loderte Feuer empor, und trotz meines Entsetzens merkte ich mir die Stelle, an der es gen Himmel schoss. Dann erreichte ich die Straße. Die Schreie meiner Mitbürger aus Venitte, die zwischen den Olivenbäumen zu vernehmen waren, wurden lauter. Mein Herz pochte wild, als ich meinen Geist entsandte, die Fäden um mich zusammenzog, sie verwob und mich vorbereitete. Weiter vorne schwollen die Schreie an, wurden lauter und hitziger und gingen über inein donnerndes Gebrüll der Herausforderung, des Hasses und der Furcht, als die beiden Armeen aufeinanderprallten.
    Sonnenlicht tauchte die Hügel und Felder in ein goldenes Leuchten, doch ich brauchte dieses Licht nicht: Durch die Fäden hindurch konnte ich alles erkennen. Die Venitter preschten brüllend und Feuer sprühend unter den niedrigen Ästen der Olivenbäume hinweg. Hinter ihren Reihen blieben verkohlte Leichen und brennende Bäume zurück.
    Und im Gefolge des Lichts kamen sie …
    Die Chorl, die meine Gemahlin und meine beiden Töchter getötet hatten.
    Die gekrümmten Stahlschwerter erhoben, brüllten sie in einer rauen, kehligen Sprache. Ihre Haut war hellblau wie der Winterhimmel, und ihre Tätowierungen wirkten schwarz im fahlen Licht des Morgengrauens. Die Gesichter vor Hass verzerrt, griffen sie an.
    Kalte Wut kroch kribbelnd über meine Haut und über die Fäden, die ich um mich gewickelt hatte. Ich verlangsamte meine Schritte, als ich mich von der Seite her den Kämpfenden näherte. Ich brauchte nicht zu rennen; es gab reichlich Chorl zu töten. Vor zwei Wochen waren sie an der Küste von Frigea gelandet und hatten Venitte überfallen. Ohne Vorwarnung waren sie vom westlichen Meer gekommen, hatten den Hafen angegriffen und einen großen Teil der Stadt überrannt, noch ehe jemand wusste, was geschah.
    Doch die Chorl selbst waren nicht mein Ziel, sonst hätte ich sie gemeinsam mit der Armee von Venitte angegriffen. Nein, der Angriff diente zur Ablenkung, als Köder für das Heer, denn ich wollte die Adeptinnen: Sie waren es, die die Fäden beeinflussten und Feuer schleuderten. Ihre Macht hatte beim ersten Überfall auf die Stadt so vielen Einwohnern den Tod gebracht.
    Und sie hatten Olivia, die fünfjährige Jaer und deren ältere Schwester Pallin getötet.
    Vorsichtig schlich ich an den ersten Chorl vorbei. Ihr Geheulerhob sich schrill und gellend um mich her, als sie versuchten, zur vordersten Kampflinie vorzustoßen. Sie strömten zu beiden Seiten an mir vorbei, als wäre ich ein Felsblock in einem Fluss, ohne dass es ihnen bewusst gewesen wäre, denn die Fäden lenkten sie zu den Seiten ab und verbargen mich gleichzeitig vor ihren Blicken. Ich rückte in den hinteren Bereich ihrer Streitmacht vor und richtete die Aufmerksamkeit auf die Quelle der vernichtenden Feuer, die weiterhin aus ihren Reihen emporstiegen.
    Die Reihen der Chorl lichteten sich immer mehr. Dann endete die Straße, und ich befand mich wieder inmitten eines Weizenfelds. Die Stängel waren von zahllosen Füßen in die Erde getrampelt worden. Weiter vorne verwob eine Chorl-Frau in schlammverschmiertem Kleid die Sicht zu einem geballten, gleißenden Feuerknäuel, das sie hoch in die Luft schleuderte.

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