Die Känguru Chroniken
an.
»Und ohne Füllung.«
»Vietcong?«, frage ich.
»Tjaaaaaa …«, sagt das Känguru vielsagend. Beziehungsweise wenig sagend. Es sagt quasi alles und nichts zugleich. Allerdings eher nichts.
Lustlos stochere ich mit der Gabel in meinem Fischstäbchen herum.
»Wenn’s dir nicht schmeckt, kannst du ja das nächste Mal wieder kochen«, sagt das Känguru.
»Das nächste Mal?«, frage ich. »Ich glaub, ich koch lieber jedes Mal.«
Und noch während ich diese Worte spreche und sehe, wie ein flüchtiges Lächeln über das Gesicht des Kängurus huscht, beschleicht mich das Gefühl, dass genau dies auch der Sinn des Manövers war.
»Dass es immer noch Menschen gibt, die meine Adresse nicht haben …«, sage ich kopfschüttelnd zum Känguru, während wir ein Formular oder ein Gewinnspiel oder einen Mitgliedschaftsantrag oder so was ausfüllen. »Ich habe nämlich das Gefühl, meine Adresse schon jedem Menschen auf der Welt persönlich auf einen Zettel geschrieben zu haben.«
»Ja, ja«, sagt das Känguru, füllt das Feld mit seiner Telefonnummer aus, öffnet dahinter eine Klammer und schreibt hinein: 69 Cent pro Minute.
»Was soll denn das?«, frage ich.
»Hab mir ’ne neue Nummer besorgt«, sagt das Känguru. »Hab letztens so ’nem Typen von ’ner Bank ’ne halbe Stunde am Telefon zugehört. Der meinte, ich müsse jetzt schon an meine Altersvorsorge denken, Zeit sei kostbar, und da dachte ich: Der Mann hat völlig recht. Meine Zeit ist viel zu kostbar, um mir für umme so ’nen Quatsch anzuhören.«
»Und jetzt hast du dir ’ne 0900-Nummer besorgt?«, frage ich.
»So isses.«
»Das heißt, jedes Mal, wenn dich jetzt so ’ne Bank, so ein Marktforschungsinstitut oder die Zeugen Jehovas anrufen, verdienst du dir deine Altersvorsorge?«
»Ruf mich mal an«, sagt das Känguru.
»Nee«, sage ich lachend. »Ist mir zu teuer.«
»Doch, jetzt mach mal. Ich will dir was zeigen.«
»Jahaa! Du willst mir zeigen, wie schwuppdiwupp zwei Euro von meinem Konto auf deines wandern, nur damit ich mit dir reden darf.«
»Nee. Was anderes. Pionierehrenwort! Jetzt ruf mal an.«
Tuut. Tuut. Krk. Bitte haben Sie noch einen Augenblick Geduld.
»Hörst du schon was?«, fragt das Känguru.
»Ja«, sage ich. »Midi-Pop-Warteschleifenmusik. Wolltest du mir das zeigen?«
»Nee. Moment noch.«
Krk. Das nächste freie Känguru ist für Sie reserviert. Krk.
»Siehst du?«, fragt das Känguru und kuckt auf die Uhr. »Jetzt habe ich schon drei Euro verdient, ohne überhaupt mit dir geredet zu haben.«
»Die will ich aber wieder«, sage ich und lege verärgert auf.
Gleich darauf klingelt das Telefon des Kängurus erneut.
»Ja. Hallo?«, fragt es. »Ob ich fünf Minuten Zeit für eine Umfrage habe? Fünf Minuten? Fünf Stunden, Herzchen!«, und es verschwindet in Richtung Tür.
»Hey! Was ist mit meinen drei Euro?«, frage ich.
»Wenn du dich beschweren willst«, sagt das Känguru im Hinausgehen, »ruf mich doch einfach an.«
»Das ist doch gar nicht dein Fahrrad!«, sage ich zum Känguru.
»Wie kommst du drauf?«, fragt es.
»Weil du einen Bolzenschneider aus deinem Beutel geholt hast – und keinen Schlüssel«, sage ich.
»Hab den Schlüssel verloren«, sagt das Känguru und blickt mich herausfordernd an.
»Ach so«, sage ich.
»Die Frage ist nur …«, sagt das Känguru und geht die Fahrräder im Ständer ab, »zu welchem Rad habe ich den Schlüssel verloren …«
Es tippt mit dem Bolzenschneider leicht auf jeden Hinterreifen.
Dabei sagt es: »Ene Mene Muh – und raus bist du!«
Das Känguru begutachtet seine Wahl.
»Hmm. Oder war es vielleicht doch das daneben? Das hat mehr Gänge …«
»Das ist meins!«, sage ich.
»Oh …«, sagt das Känguru und schneidet geschickt das Schloss seiner ersten Wahl durch.
»Na dann …«, sagt es und schiebt das Fahrrad auf die Straße. »Lass mal losmachen.«
»Sekunde«, sage ich. »Ich bräuchte noch kurz den Bolzenschneider.«
Das Känguru blickt mich fragend an.
»Hab den Schlüssel verloren«, sage ich.
»Spürst du den Wind um deine Wangen?«, ruft das Känguru, als die Parteizentrale der Grünen nur noch ein immer kleiner werdender Punkt in unseren nicht vorhandenen Rückspiegeln geworden ist. »Ein guuuutes Gefühl!«
»Weiß nicht«, sage ich. »Irgendwie fühl ich mich schlecht. Das war, glaub ich, nicht richtig.«
»Unsinn!«, ruft das Känguru. »Richtig, falsch. Meins, deins … das sind doch bürgerliche Kategorien. Diese Fahrräder
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