Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
Gesellschaft und gingen ihren Geschäften nach.
    Marvin war anders. Sein Vater schickte ihn Ende der fünfziger Jahre auf die Universität Brandeis im Norden. Dort verbrachte er vier Jahre und anschließend drei Jahre an der juristischen Fakultät der Columbia University, und als er 1964 nach Greenville zurückkehrte, war die Bürgerrechtsbewegung in Mississippi in vollem Gange. Marvin stürzte sich ins Getümmel. Knapp einen Monat nach Eröffnung seiner kleinen Kanzlei wurde er zusammen mit zwei Mitstudenten aus Brandeis verhaftet, weil er versucht hatte, schwarze Wähler zu registrieren. Sein Vater war wütend. Seine Familie war peinlich berührt, aber das kümmerte Marvin nicht im geringsten. Er erhielt seine erste Todesdrohung im Alter von fünfundzwanzig Jahren und legte sich eine Waffe zu. Er kaufte eine Pistole für seine Frau, die aus Memphis stammte, und wies ihr schwarzes Dienstmädchen an, immer eine Waffe in der Handtasche bei sich zu tragen. Die Kramers hatten zwei Söhne, zwei Jahre alte Zwillinge.
    Die erste Zivilklage, die 1965 von der Kanzlei von Marvin B. Kramer und Partner (noch gab es keine Partner) eingereicht wurde, richtete sich gegen eine Unmenge angeblich diskriminierender Wahlpraktiken lokaler Amtsträger. Sie machte Schlagzeilen im ganzen Staat, und Marvins Foto erschien in den Zeitungen. Außerdem wurde sein Name vom Ku-Klux-Klan auf eine Liste zu verfolgender Juden gesetzt. Er war ein radikaler jüdischer Anwalt mit einem Bart und entschieden zu liberalen Ansichten, ausgebildet von Juden im Norden und jetzt damit beschäftigt, mit den Negern im Mississippi-Delta zu marschieren und sie zu vertreten. Das würde man nicht dulden.
    Später gab es Gerüchte, daß Anwalt Kramer aus eigenen Mitteln Kautionen für Freedom Riders und andere Bürgerrechtler stellte. Er reichte Klagen ein gegen Einrichtungen, die nur für Weiße zugänglich waren. Er bezahlte für den Wiederaufbau einer vom Klan gesprengten Schwarzenkirche. Er wurde sogar dabei beobachtet, wie er Neger in seinem Haus willkommen hieß. Er hielt Reden vor jüdischen Vereinigungen im Norden und drängte sie, sich am Kampf zu beteiligen. Er schrieb flammende Briefe an Zeitungen, von denen nur wenige gedruckt wurden. Anwalt Kramer marschierte tapfer seiner Vernichtung entgegen.
    Die Anwesenheit eines Nachtwächters, der friedlich zwischen den Blumenbeeten patrouillierte, verhinderte eine Attacke auf das Haus der Kramers. Marvin bezahlte den Wachmann damals bereits seit zwei Jahren. Er war ein ehemaliger Polizist und schwer bewaffnet, und die Kramers ließen ganz Greenville wissen, daß sie von einem Meisterschützen bewacht wurden. Natürlich wußte der Klan über den Wachmann Bescheid, und er wußte auch, daß er gegen ihn nichts ausrichten konnte. Deshalb wurde der Beschluß gefaßt, anstelle von Marvin Kramers Haus sein Büro in die Luft zu sprengen.
    Die eigentliche Planung des Unternehmens dauerte nicht lange, in erster Linie deshalb, weil nur so wenige Personen daran beteiligt waren. Der Mann mit dem Geld, ein wortgewaltiger Prophet der weißen Vorherrschaft namens Jeremiah Dogan, war damals Imperial Wizard und damit Anführer des Klans in Mississippi. Sein Vorgänger war im Gefängnis gelandet, und Jerry Dogan genoß es, die Bombenanschläge zu organisieren. Er war nicht dumm. Im Gegenteil, das FBI gab später zu, daß Dogan als Terrorist Beachtliches geleistet hatte, weil er die schmutzige Arbeit an kleine, autonome Gruppen von Ausführenden delegierte, die völlig unabhängig voneinander operierten. Das FBI hatte es geschafft, den Klan mit Informanten zu infiltrieren, und Dogan traute niemandem außer Angehörigen seiner Familie und einer Handvoll Komplizen. Ihm gehörte die größte Gebrauchtwagenfirma in Meridian, Mississippi, und er machte eine Menge Geld mit allen möglichen zwielichtigen Geschäften. Manchmal predigte er in ländlichen Kirchen.
    Der zweite Angehörige des Teams war ein Klansmann namens Sam Cayhall aus Clanton, Mississippi, in Ford County, drei Autostunden nördlich von Meridian und eine Stunde südlich von Memphis. Das FBI wußte über Cayhall Bescheid, nicht aber über seine Verbindung zu Dogan. Das FBI hielt ihn für harmlos, weil er in einem Teil des Staates lebte, in dem es kaum Klan-Aktivitäten gab. In letzter Zeit waren in Ford County ein paar Kreuze angezündet worden, aber es hatte keine Sprengstoffanschläge gegeben, keine Morde. Das FBI wußte, daß auch Cayhalls Vater dem Klan angehört hatte,

Weitere Kostenlose Bücher