Die Kammer
aber aufs Ganze gesehen schien die Familie ziemlich passiv zu sein. Daß Dogan Sam Cayhall anwarb, war ein brillanter Schachzug.
Der Anschlag auf Kramers Büro begann mit einem Telefonanruf am Abend des 17. April 1967. Weil er mit gutem Grund argwöhnte, daß sein Telefon angezapft war, wartete Jeremiah Dogan bis Mitternacht und fuhr dann zu einem Münzfernsprecher an einer Tankstelle südlich von Meridian. Außerdem argwöhnte er, daß das FBI ihn beschattete, was übrigens zutraf. Sie beobachteten ihn, aber sie hatten keine Ahnung, wen er anrief.
Sam Cayhall hörte am anderen Ende aufmerksam zu, stellte ein oder zwei Fragen, dann legte er auf. Er kehrte in sein Bett zurück, ohne seiner Frau etwas zu sagen. Sie wußte, daß sie nicht fragen durfte. Am nächsten Morgen verließ er früh das Haus und fuhr in die Stadt Clanton. Er frühstückte wie jeden Tag in The Coffee Shoppe, dann telefonierte er von einem Münzfernsprecher im Gerichtsgebäude von Ford County.
Zwei Tage später, am 20. April, verließ Cayhall bei Anbruch der Dunkelheit Clanton und fuhr zwei Stunden nach Cleveland, Mississippi, einer College-Stadt im Delta, eine Fahrstunde von Greenville entfernt. Dort wartete er vierzig Minuten auf dem Parkplatz eines belebten Einkaufszentrums, konnte aber keinen grünen Pontiac entdecken. Er aß ein gebratenes Hähnchen in einem billigen Restaurant, dann fuhr er nach Greenville, um die Kanzlei von Marvin B. Kramer und Partner auszukundschaften. Cayhall hatte zwei Wochen zuvor einen Tag in Greenville verbracht und kannte die Stadt ziemlich gut. Er fand Kramers Büro, dann fuhr er an seinem stattlichen Haus vorbei und danach zurück zur Synagoge. Dogan hatte gesagt, die Synagoge käme möglicherweise als nächstes an die Reihe, aber zuerst müßten sie dem jüdischen Anwalt eine Lektion erteilen. Um elf war Cayhall wieder in Cleveland, und der grüne Pontiac stand nicht auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums, sondern vor einer Raststätte am Highway 61, einem Ort, der als zweite Wahl vorgesehen war. Er fand den Zündschlüssel unter der Bodenmatte auf der Fahrerseite und machte sich zu einer Spritztour durch die üppigen Felder des Deltas auf. Er bog auf eine Farmstraße ab und öffnete den Kofferraum. In einem mit Zeitungspapier abgedeckten Karton fand er fünfzehn Stangen Dynamit, drei Sprengkapseln und eine Zündschnur. Er fuhr zurück und wartete in einem Lokal, das die ganze Nacht geöffnet hatte.
Um genau zwei Uhr erschien das dritte Mitglied des Teams in der belebten Raststätte und ließ sich Sam Cayhall gegenüber nieder. Sein Name war Rollie Wedge; er war ein junger Mann, nicht älter als zweiundzwanzig, und dennoch ein vertrauenswürdiger Veteran des Krieges gegen die Bürgerrechtsbewegung. Er sagte, er käme aus Louisiana und wohnte jetzt irgendwo in den Bergen, wo ihn niemand finden konnte, und obwohl er sich nie mit seinen Taten brüstete, hatte er Sam Cayhall mehrmals erzählt, daß er fest damit rechnete, im Kampf um die Vorherrschaft der Weißen ums Leben zu kommen. Sein Vater gehörte zum Klan und besaß eine Abbruchfirma, und von ihm hatte Rollie den Umgang mit Sprengstoff gelernt.
Sam wußte kaum etwas von Rollie Wedge und glaubte nicht viel von dem, was er ihm erzählte. Er fragte Dogan nie, wo er den Jungen aufgetrieben hatte.
Sie tranken Kaffee und unterhielten sich eine halbe Stunde über Belanglosigkeiten. Cayhalls Becher zitterte gelegentlich vor Nervosität, aber Rollie war ganz ruhig. Er zuckte nicht einmal mit den Augenlidern. Es war nicht ihr erstes Zusammentreffen dieser Art, und Cayhall staunte über soviel Gelassenheit bei einem derart jungen Mann. Er hatte Jeremiah Dogan berichtet, daß der Junge nie in Aufregung geriet, nicht einmal dann, wenn sie sich ihrem Ziel näherten und er mit dem Dynamit hantierte.
Wedge fuhr einen Wagen, den er am Flughafen von Memphis gemietet hatte. Er holte einen kleinen Beutel vom Rücksitz, verschloß den Wagen und ließ ihn an der Raststätte stehen. Der grüne Pontiac mit Cayhall am Steuer verließ Cleveland und fuhr auf dem Highway 61 in Richtung Süden. Es war fast drei Uhr, und es herrschte keinerlei Verkehr. Ein paar Meilen südlich des Dorfes Shaw bog Cayhall auf einen dunklen Feldweg ab und hielt an. Rollie wies ihn an, im Wagen zu bleiben, während er den Sprengstoff inspizierte. Sam gehorchte. Rollie nahm seinen Beutel mit zum Kofferraum, wo er das Dynamit, die Sprengkapseln und die Zündschnur begutachtete. Er ließ den Beutel im
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