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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Kapitel 1
Ich bin der ich bin
    W as werde ich sagen, wenn ich ihm gegenüberstehe?, fragte ich mich wohl zum hundertsten Mal an diesem Morgen. Und: Wird man mich überhaupt mit ihm sprechen lassen? Oder werde ich schon am Tor von einem Schreiber abgewiesen, wenn ich um eine Audienz bitte? Ich konnte ihm doch nicht einmal meinen Namen nennen – ich meine: meinen wirklichen Namen. Er würde mich auslachen oder mit Gewalt aus dem Palazzo entfernen. Eine zweite Chance würde ich dann nicht mehr bekommen …
    Ungeduldig und – ich gestehe – zitternd vor Anspannung wartete ich auf der Steinbank neben dem großen Portal des Palazzo Medici, dass der Portier die Torflügel öffnete und die Besucher in den Innenhof einließ. Immer wieder zupfte ich an den Ärmeln meines Samtkleides herum, korrigierte ich den Faltenwurf des weiten Rocks, als wollte ich hier noch stundenlang sitzen und mich anstarren lassen. An diesem Septembermorgen des Jahres 1491 hatte ich mein bestes Kleid angezogen – aber was war diese Maskerade mehr als ein lächerlicher Versuch, meinen Worten bei Lorenzo de’ Medici mehr Nachdruck zu verleihen! Was ich ihm zu sagen hatte, würde ausreichen, ihn zu beeindrucken.
    Die neugierigen Blicke der anderen Besucher – Geschäftspartner und Freunde des Magnifico – ignorierte ich. Sie warteten wie ich seit Sonnenaufgang, saßen in Gruppen auf der Steinbank, unterhielten sich angeregt über Savonarolas letzte Predigt, verglichen die Zinssätze der Kredite der Banca Medici und ihre Gewinne aus dem Seidenhandel, spazierten die Via Larga auf und ab, bis das Tor geöffnet wurde – wie jeden Morgen. Aber an diesem Morgen war etwas anders: Ich, Caterina, saß neben ihnen und wartete.
    Immer wieder streiften mich ihre neugierigen Blicke. Wer ist die junge Frau?, fragten sie sich. Was will sie im Palazzo Medici? Sie ist fünfzehn oder sechzehn Jahre alt. Warum lässt sie sich in ihren Anliegen nicht vom Vater, Bruder oder Cousin vertreten? Oder, wenn es nicht um persönliche, sondern um geschäftliche Angelegenheiten geht, von einem bekannten Notar wie Piero da Vinci?
    Ich sprach mit keinem der Wartenden. Weder über mein Anliegen bei Lorenzo de’ Medici, meine Ängste und meine Hoffnungen, noch über Bankkredite, Seidenlieferungen oder über den Seehandel, obwohl ich mich darin fast so gut auskannte wie Amerigo. Seit Monaten hatten wir bei den Mahlzeiten selten ein anderes Thema als Amerigos Arbeit im Medici-Kontor.
    Ich sprach mit keinem von ihnen, weil ich auf keine ihrer Fragen eine Antwort wusste. Warum war ich hier? Was versprach ich mir von einer Audienz bei Lorenzo – falls er überhaupt geruhte, mich zu empfangen? Nach allem, was in den Jahren seit der Pazzi-Verschwörung und der Ermordung seines Bruders Giuliano zwischen unseren Familien vorgefallen war: Hass, Verfolgung, Verbannung. Und falls er mir zuhörte – würde er mir glauben?
    Wie oft hatte ich in den vergangenen Monaten vor dem Portal des Palazzo Medici gestanden – seit ich ahnte, wer ich wirklich war. Wie oft hatte ich vor diesem Schritt gezögert. Wie oft war ich abends in das Haus nahe der Kirche Santa Trinità zurückgekehrt, wo ich mit Amerigo wohnte – dem Cousin meines Stiefvaters und Freund des Mannes, den ich für meinen Vater hielt.
    In diesem Augenblick wurde das schwere Tor des Palazzo Medici aufgeschoben und der Portier trat hervor, um die Wartenden in den Hof des Palastes zu bitten. Ich sprang auf und eilte zum Portal hinüber. Die Besucher drängelten am Eingang, als wollten sie die besten Plätze beim Palio auf der Piazza Santa Croce ergattern.
    Dann stand ich zwischen den kleinen Lorbeerbäumen unter den Arkaden des Innenhofs und schaute zu den Fenstern im ersten Stock hinauf. Unzählige Kerzen funkelten durch die Glasscheiben. Welch eine Pracht! Selbst der Palazzo della Signoria wirkte bescheiden neben dem Palast des Magnifico.
    Dem Portal gegenüber bewachte ein marmorner Herakles das Tor zum Garten. Unter den Arkaden des Hofes fand ich den Eingang zu einer Schreibstube, in der ein paar bewaffnete Leibwächter des Magnifico Karten spielten. Ein Schreiber sprach mit den Besuchern, die um einen Termin bei Francesco Sassetti baten, dem Generaldirektor der Banca Medici und Leiter des Handelskontors, die mit Piero da Vinci wegen eines Rechtsstreits verhandeln oder Rechnungen für Fleisch, Fisch, Brot, Obst, Gemüse, Schuhe, Handschuhe oder Schmuckstücke beglichen haben wollten.
    »Ihr wünscht?«, fragte der Schreiber, als

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