Die Kastratin
Euch reich belohnen.«
Das Wort Geld ließ die Räuber aufhorchen. Sie drängten sich enger um Vincenzo und forderten ihn auf, die Katze aus dem Sack zu lassen. Einer schnitt ihm sogar die Börse ab, was Benedetto bislang versäumt hatte, und blickte hinein. Als er ein paar Münzen von geringem Wert vorfand, verzog er säuerlich das Gesicht. »Besonders reich kannst du ja nicht sein, wenn du deine Flucht mit ein paar Soldi angetreten hast.«
Vincenzo lächelte übermütig. »Ich hätte mir beim nächsten Bankier genügend Geld besorgt.«
»Wie viel?«, fragte Tomasi plötzlich. »Genug, um außer Landes zu kommen«, antwortete Vincenzo. »Das meine ich nicht«, fuhr ihn der Hauptmann an. »Ich will wissen, wie viel deinem Freund Casamonte die Freiheit wert ist. Und natürlich auch die deine. Denn ohne ein hübsches Lösegeld lassen wir ein Vögelchen wie dich nicht wieder fort.«
Während die anderen Räuber lachten, überschlugen sich Vincenzos Gedanken. Ab welcher Summe mochte der Bandit bereit sein, ihnen zu helfen? Es durfte auf alle Fälle nicht mehr sein, als Giulio besaß. Vincenzo versuchte sich an die Gagen und Geldgeschenke zu erinnern, die der Kastrat im Laufe der letzten Jahre erhalten, und an die Summen, die er für ihn den Bankiers anvertraut hatte. Würde es reichen? Schließlich drehte er den Kopf, so dass er Tomasi in die Augen sah. »Zehntausend Dukaten.«
Der Hauptmann nickte anerkennend. »Ein hübsches Sümmchen. Lege es mir auf den Tisch, und ich werde dein Singvögelchen befreien.«
Vincenzo schluckte mit trockenem Mund. »Wie soll ich das Geld hier auftreiben? Bei unserem Bankier in Rom darf ich mich nicht sehen lassen, weil man mich schon am Tor verhaften würde.«
Die Räuber hörten die Angst in seinen Worten und lachten. Einer winkte ab und machte die Geste des Halsabschneidens. »Dann haben du und dein Nichtmann aber arges Pech gehabt.«
Tomasi hob die Hand und scheuchte die, die Vincenzo bedrängten, weg. »Kannst du das Geld von einem Boten abholen lassen?«
»Dazu bräuchte ich gutes Briefpapier, mein Siegel, das Ihr mir gerade abgenommen habt, gute Tinte und vor allem einen Boten, den man nicht sofort als Räuber erkennt.« Vincenzo holte tief Luft. »Ja, das wäre möglich.«
Tomasi kaute auf seinem Schnurrbart herum und starrte einige Augenblicke lang in die Ferne. »Papier und Tinte sind kein Problem. Wir haben noch genug Spenden von früheren Gästen. Und was den Boten betrifft … Nun, das werden wir auch noch hinbekommen.« Der Hauptmann drehte sich zu seinen Männern um und befahl ihnen, mitzukommen. »Wir gehen alle zur Höhle. Da wir uns nach diesem Streich ohnehin trennen wollen, brauchen wir nicht mehr darauf zu achten, ob wir Spuren hinterlassen. Setzt diesen ehrenwerten Signore auf sein Pferd, haltet aber die Zügel gut fest. Er ist immerhin zehntausend Dukaten wert.«
Das Lachen der Räuber zeigte, dass sie ihre gute Laune wiedergefunden hatten. Auch Tomasi schien sich darauf zu freuen, den Soldaten des Papstes einen letzten, großen Streich spielen zu können. Vincenzo hingegen wurde von den widerstrebendsten Gedanken gequält. Was war, wenn Giulio in der Zeit, in der sie getrennt gewesen waren, eine größere Summe ausgegeben hatte, und daher nicht mehr genug Geld übrig war, um die Gier der Räuber zu befriedigen? Vielleicht hatte er ihm auch längst die Verfügungsgewalt über das Konto gestrichen. Dann würde Tomasis Bote nicht nur kein Geld erhalten, sondern vielleicht sogar festgehalten und gefangen genommen werden. Jetzt, da Vincenzo die Räuber überzeugt zu haben schien, kamen ihm all die Schwierigkeiten und Probleme in den Sinn, die einem guten Ausgang entgegenstanden. Er konnte sich ausmalen, was Tomasi und seine Leute mit ihm anstellen würden, wenn etwas schief ging. Aber es konnte nicht halb so schlimm werden wie das, was Giulio durchmachen musste, wenn er in der Hand der päpstlichen Behörden blieb. Vincenzo fragte sich, was man ihnen wirklich vorwarf. Die Anschuldigung, Sodomie betrieben zu haben, schien ihm nur ein Vorwand zu sein, denn mit der gleichen Beschuldigung konnte man Dutzende von hochrangigen Männern innerhalb der Kirche und der herrschenden Aristokratie verhaften, die er persönlich kannte, und etliche andere noch dazu. Nein, da musste etwas anderes dahinterstecken, etwas, was den Behörden schwer wiegend genug war, einen bekannten Kastratensänger auf dem Gebiet der Republik Venedig abzufangen und zu entführen. Bei den nicht
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