Die Katastrophen-Welt
hatte. »Ah, dann sprechen Sie ja doch Englisch. Bin ich froh! So kommen wir wenigstens weiter. Ich weiß nicht, was Sie getan haben, daß Sethys Sie jagen ließ, aber ich bin auf jeden Fall auf Ihrer Seite. Erzählen Sie es mir jetzt?«
»Ot ottroc atahru«, sagte sie sichtlich verlegen.
»Fängt das wieder an! Ich hab' doch gehört, daß Sie ›guten Morgen‹ wie ein braves Mädchen sagten ...«
»Gunmorn, braves Mechen«, echote sie.
Ich schüttelte enttäuscht den Kopf. »Wie ein Papagei«, brummte ich.
»Winpapagai.« Sie blickte mich erwartungsvoll an.
»Ist vielleicht gar nicht so schlecht.« Ich legte eine Hand auf ihren Arm. »Ich bin zwar sicher kein guter Lehrer, aber möglicherweise kann ich Ihnen doch soviel Amerikanisch beibringen, daß wir uns verständigen können.« Ich deutete auf mich. »Malcolm Irish.«
»Akmalcomairisch«, wiederholte sie.
»Lassen Sie das Akk. Es heißt Malcolm – aber nennen Sie mich lieber Mal.«
»Akmal.« Sie schaute ein wenig verwirrt drein.
»Na gut, und wie heißen Sie?« Ich deutete auf sie.
»Akricia«, erwiderte sie sofort und neigte ihren Kopf.
»Akricia«, echote nun ich, und ihr Gesicht leuchtete auf. »Wie wär's, wenn ich dich Ricia nenne?« Unwillkürlich war ich zum Du übergegangen. »Das ist kürzer und netter.«
Erneut spiegelte sich Verwirrung auf ihren Zügen ab und dann noch ein paar andere Gefühlsregungen, die ich nicht zu deuten wußte. Dann neigte sie wieder den Kopf. »Ricia«, flüsterte sie. »Mal ...« Sie kaute an der Unterlippe, dann zog sie einen silberfarbigen Ring von ihrem Finger und hielt ihn mir mit gesenktem Blick entgegen. Ich nahm ihn, er war sehr breit und schwer. »Ein sehr schönes Stück«, lobte ich.
Sie schien offenbar auf irgend etwas zu warten. Also streifte ich den Ring über meinen kleinen Finger. Ich hatte das Gefühl, daß wir nun offizielle Freunde waren.
»Danke, Mädchen«, sagte ich. »Es ist ein reizendes Geschenk. Aber jetzt wollen wir mit unserem Unterricht weitermachen.« Ich drückte ihre Hand – da fielen mir plötzlich ihre nicht ganz sauberen Finger und die abgebrochenen Nägel auf.
»Ricia, du brauchst ein heißes Bad.« Ich deutete auf die Duschkabine. »Ich besorge dir inzwischen etwas zum Anziehen. Mir selbst würden frische Socken auch nicht schaden.« Ich zog den Duschvorhang zurück und schaltete die Brause ein. Ricia nickte begeistert und tastete nach einem unsichtbaren Verschluß an ihrem Bodysuit.
Ich gab dem Alten unten einen größeren Schein und erklärte ihm, was wir benötigten. Er stapfte zufrieden davon, als ich ihm zusätzlich noch einen Fünfziger in die Hand gedrückt hatte.
In einer halben Stunde war er mit einem Rieseneinkaufsbeutel voll Fressalien, Toilettenartikeln und ein paar Kleidungsstücken zurück. Ich schob Ricia, was sie benötigen würde, durch den Vorhang und deckte uns die Kommode mit einem lukullischen Frühstück. Zehn Minuten später trat sie aus der Kabine, frisch wie ein neugeborenes Baby und im gleichen Bekleidungszustand. Ihr Haar war kunstvoll mit einem Schleifchen aus dem Kosmetikkästchen zusammengehalten, und ihre Nägel glänzten rosig.
»Schön«, kommentierte ich. »Ein wenig unkonventionell, aber schön. Trotzdem wäre es vielleicht besser, wenn du doch etwas überstreifen würdest, solange mein Blut noch nicht überwallt.« Ich hielt ihr den Einteiler entgegen, den der Alte für sie besorgt hatte, und sie nahm ihn auch. Doch als sie die Essereien sah, ließ sie ihn achtlos fallen und schritt mit glänzenden Augen darauf zu. Die geschlossenen Packungen schienen ihr nicht viel zu sagen, aber sie hob eine Orange auf, roch daran und biß hinein. Sie schmeckte ihr offensichtlich, mit Schale und allem. Ich stand nur da und sah ihr zu, wie der Saft über ihre sanfte Haut mit dem leicht olivfarbigen Schimmer lief, und fragte mich, wer – und was – das zierliche Wesen war, das ich da unter meine Fittiche genommen hatte.
Ricia hatte eine phänomenale Begabung, die Worte zu behalten, die ich ihr beibrachte – und war unwahrscheinlich unwissend, was die Sitten und Gebräuche unserer Gesellschaft betraf. Beim Kaffee rümpfte sie die Nase, vor dem Dosenfleisch ekelte sie sich. Aber ihr schmeckte das Brot, nachdem sie es äußerst zögernd probiert hatte. Nur die Früchte waren ihr offenbar vage vertraut.
Nach einer Stunde konnte sie schon ein wenig mit mir reden – sie benutzte Worte wie: »Ricia essen, Mal essen, gut, nein. Heute, morgen,
Weitere Kostenlose Bücher