Die Kathedrale des Meeres
begierig auf Krieg, Kampf und Beute. Hier herrschte das genaue Gegenteil des geordneten Lebens, das er aus Barcelona kannte. Wenn die Truppe nicht exerzierte oder Waffenübungen machte, drehte sich das Lagerleben um Wetten, gesellige Runden, bei denen die stolzen Veteranen den Neulingen furchtbare Kriegsgeschichten erzählten, und natürlich um Diebstahl und Schlägereien.
Arnau streifte häufig mit drei jungen Burschen aus Barcelona durchs Lager, die ebenso unerfahren in der Kriegskunst waren wie er selbst. Sie bestaunten die Pferde und die Rüstungen, die vor den Zelten unaufhörlich von den Dienern poliert wurden. Es war eine Art Wettstreit, bei dem die Waffen und Ausrüstungen gewannen, die am meisten glänzten. Doch ebenso sehr, wie ihn die Pferde und Waffen zum Staunen brachten, litt er unter dem Schmutz, dem Gestank und den Myriaden von Insekten, die durch die Exkremente von Mensch und Tier angezogen wurden. Die königlichen Offiziere ließen Latrinen in Form von langen, tiefen Gräben anlegen, die möglichst weit vom Feldlager entfernt waren und ganz in der Nähe eines Bachlaufs lagen, in den sie die Ausscheidungen der Soldaten leiten wollten. Doch der Bach war nahezu ausgetrocknet, und die stinkende Brühe faulte und verströmte einen widerlichen, unerträglichen Gestank.
Eines Morgens, als Arnau und seine drei neuen Gefährten zwischen den Zelten umherliefen, sahen sie einen Reiter herannahen, der von seinen Waffenübungen zurückkam. Das Pferd, das in den Stall zurückwollte, um sein wohlverdientes Futter zu bekommen und die schwere Panzerung loszuwerden, die Brust und Flanken bedeckte, tänzelte unruhig mit den Hufen, während der Reiter versuchte, zu seinem Zelt zu gelangen, ohne Schaden anzurichten. In den engen Gassen zwischen den Zelten wich er den Soldaten aus und machte einen Bogen um die Dinge, die sich dort stapelten. Doch als das kräftige, lebhafte Tier nicht gegen die grausame Kandare in seinem Maul ankam, vollführte es in seinem Vorwärtsdrang einen spektakulären Tanz, während von seinen Flanken weißer Schaum auf die Vorbeigehenden stiebte.
Arnau und seine Begleiter versuchten dem Reiter so gut wie möglich auszuweichen, doch unglücklicherweise drehte sich das Tier genau in diesem Augenblick unvermutet auf der Kruppe herum und stieß Jaume, den Kleinsten der vier, zu Boden. Dem Jungen war nichts geschehen. Der Reiter blickte nicht einmal zurück und ritt weiter zu einem nahen Zelt. Doch der kleine Jaume war ausgerechnet dorthin gefallen, wo einige alte Haudegen ihren Sold beim Würfelspiel riskierten. Einer von ihnen hatte eben eine Summe verloren, die dem entsprach, was er vielleicht bei allen noch kommenden Feldzügen König Pedros verdienen konnte. Der Ärger ließ nicht lange auf sich warten. Der glücklose Spieler erhob sich zu voller Größe, um die Wut auf seine Mitspieler an Jaume auszulassen. Er war ein vierschrötiger Mann mit langem, schmutzigem Haar und Bart. Nachdem er stundenlang nur verloren hatte, hätte sein grimmiger Gesichtsausdruck selbst den mutigsten Feind eingeschüchtert.
Der Soldat packte den Zudringling und hob ihn hoch, sodass er ihm in die Augen sehen konnte. Jaume hatte nicht einmal Zeit zu begreifen, wie ihm geschah. Er befand sich in den Fängen eines Wüterichs, der ihn anbrüllte und schüttelte und ihm schließlich, ohne ihn loszulassen, einen solchen Schlag ins Gesicht verpasste, dass ihm ein dünner Blutfaden aus dem Mundwinkel rann.
Arnau sah, wie Jaume in der Luft strampelte.
»Lass ihn los, du Dreckskerl!« Er war selbst von seinen Worten überrascht.
Die Leute rings um Arnau und den Haudegen gingen auf Abstand. Jaume, der, gleichfalls überrascht, zu strampeln aufgehört hatte, fiel auf den Hosenboden, als der Mann ihn losließ, um sich demjenigen zuzuwenden, der es gewagt hatte, ihn zu beleidigen. Plötzlich war Arnau von zahlreichen Schaulustigen umringt, die herbeigeströmt kamen, um sich das Schauspiel anzusehen. Er und ein wutschnaubender Soldat. Wenn er ihn wenigstens nicht beleidigt hatte … Weshalb nur hatte er ihn einen Dreckskerl genannt?
»Es war nicht seine Schuld …«, stammelte Arnau und wies auf Jaume, der immer noch nicht begriff, was geschehen war.
Ohne ein Wort ging der Soldat wie ein wilder Stier auf Arnau los. Er stieß ihm mit dem Kopf vor die Brust und schleuderte ihn mehrere Meter weit, so weit, dass die Gaffer zurückweichen mussten. Arnau durchfuhr ein Schmerz, als hätte man ihm den Brustkorb zerrissen. Der
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