Die Kathedrale des Meeres
Hände.
»Im Grunde ist es ganz einfach«, beteuerte Guillem. »In Katalonien setzt der König das Verhältnis von Goldflorin und Silbercroat fest. Im Moment liegt es bei dreizehn zu eins, das heißt, ein Goldflorin ist dreizehn Silbercroat wert. In Florenz, Venedig oder Alexandria hingegen hat der König nichts zu sagen, und der Goldwert eines Florin ist nicht dreizehnmal so hoch wie der Silberwert eines Croat. Hierzulande legt aus politischen Gründen der König den Kurs fest; dort wird der Gold- oder Silbergehalt einer Münze gewogen und ihr Wert daran bemessen. Wenn nun also einer Silbercroats im Ausland verkauft, wird er dort mehr Gold für seine Croats bekommen als in Katalonien. Und wenn er dann mit diesem Gold hierhin zurückkommt, gibt man ihm wieder dreizehn Croats für jeden Goldflorin.«
»Aber das könnte doch jeder machen«, wandte Arnau ein.
»Und es macht jeder … der kann. Wenn man zehn oder hundert Croats besitzt, lohnt es nicht. Es lohnt sich nur für die, denen man diese zehn oder hundert Croats anvertraut.« Die beiden sahen sich an. »Und das sind wir«, schloss der Maure und hob die Hände.
Einige Zeit später, als Arnau den Umgang mit den Münzen und ihren Wechsel beherrschte, begann Guillem ihm von den Handelswegen und dem Warenhandel zu erzählen.
»Zurzeit verläuft die wichtigste Handelsroute über Candia nach Zypern und von dort weiter nach Beirut und Damaskus oder Alexandria … Auch wenn der Papst den Handel mit Alexandria verboten hat.«
»Und wie funktioniert das dann?«, fragte Arnau, der mit dem Abakus spielte.
»Mit Geld natürlich. Man erkauft sich den Ablass.«
Arnau erinnerte sich an die Erklärungen, die man ihm damals im königlichen Steinbruch über die Herkunft des Geldes gegeben hatte, mit dem der Bau der königlichen Werft bezahlt wurde.
»Und handeln wir nur auf dem Mittelmeer?«
»Nein. Wir handeln mit der ganzen Welt. Mit Kastilien, Frankreich und Flandern, aber vor allem auf dem Mittelmeer. Die Ziele richten sich nach der jeweiligen Ware. In Frankreich, England und Flandern kaufen wir Stoffe, vor allem kostbare Tuche aus Toulouse, Brügge, Mechelen, Dieste oder Vilages. Umgekehrt verkaufen wir ihnen katalanisches Leinen. Außerdem kaufen wir Kupfer- und Messingwaren. Im Orient, in Syrien und Ägypten kaufen wir Gewürze …«
»Pfeffer«, warf Arnau ein.
»Ja, auch Pfeffer. Aber Vorsicht, wenn dir jemand vom Gewürzhandel erzählt, beinhaltet das auch Wachs, Zucker und sogar Elfenbein. Spricht er von Spezereien, so meint er damit tatsächlich das, was man gemeinhin unter Gewürzen versteht: Zimt, Nelken, Pfeffer, Muskatnuss.«
»Wachs, sagtest du? Wir importieren Wachs? Wie kann es sein, dass wir Wachs importieren, wenn du mir neulich erzählt hast, dass wir Honig ausführen?«
»Tatsächlich exportieren wir Honig und importieren Wachs. Honig haben wir mehr als genug, aber in den Kirchen wird viel Wachs gebraucht.« Arnau erinnerte sich an die erste Pflicht der Bastaixos: stets dafür zu sorgen, dass Kerzen vor der Schutzpatronin des Meeres brannten. »Das Wachs kommt über Byzanz aus Dakien. Ein weiteres wichtiges Handelsgut sind Lebensmittel«, fuhr Guillem fort. »Vor Jahren haben wir noch Getreide ausgeführt, doch heute müssen wir alle Arten von Getreide einführen: Weizen, Reis, Hirse und Gerste. Dafür exportieren wir Öl, Wein, Trockenfrüchte, Safran, Speck und Honig. Auch mit Pökelfleisch wird gehandelt …«
In diesem Augenblick kam ein Kunde herein und Arnau und Guillem unterbrachen ihr Gespräch. Der Mann nahm gegenüber den Geldwechslern Platz, und nachdem sie Grüße ausgetauscht hatten, hinterlegte er eine beträchtliche Summe Geldes. Guillem freute sich. Er kannte den Kunden nicht und das war ein gutes Zeichen. Sie waren nicht länger auf Hasdais frühere Kunden angewiesen. Arnau nahm seine Aufgabe ernst. Er zählte die Münzen und prüfte ihre Echtheit, auch wenn er sie zur Sicherheit eine nach der anderen an Guillem weiterreichte. Dann trug er die Summe in die Bücher ein. Guillem beobachtete ihn, während er schrieb. Was das Schreiben anging, hatte Arnau sich verbessert. Es hatte ihn jedoch beträchtliche Mühe gekostet. Er hatte bei dem Privatlehrer der Puigs Schreiben gelernt, war aber seit Jahren aus der Übung.
Während sie darauf warteten, dass die Seefahrtsaison begann, bereiteten Arnau und Guillem die Warengeschäfte vor. Sie kauften Produkte für den Export an, konkurrierten mit anderen Händlern um das Laderecht für
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