Die Kathedrale des Meeres
umzudrehen.
»Sebastià«, wiederholte er. »Dieser Mann dort, der den Stein schleppt, heißt Sebastià.«
Sebastià grüßte, als er an ihm vorbeiging, ohne den Kopf zu drehen, den Blick unter dem Gewicht des Steins starr geradeaus gerichtet, die Lippen fest aufeinandergepresst.
»Viele Jahre lang habe ich das Gleiche gemacht«, fuhr Arnau mit leiser Stimme fort. Guillem sagte nichts. »Ich war erst vierzehn Jahre alt, als ich meinen ersten Stein zu der Jungfrau brachte.« In diesem Augenblick kam ein weiterer Bastaix vorbei. Arnau grüßte ihn. »Ich dachte, mein Rückgrat würde entzweibrechen, aber das Glück, das ich empfand, als ich ankam … Mein Gott!«
»Eure Jungfrau muss etwas Besonderes sein, wenn die Leute sich so für sie aufopfern«, hörte er den Mauren sagen.
Dann schwiegen die beiden, während die Prozession der Bastaixos an ihnen vorüberzog.
Die Bastaixos waren die Ersten, die zu Arnau kamen.
»Wir brauchen Geld«, sagte Sebastià, der nun Zunftmeister war, ohne Umschweife. »Die Kasse ist leer, die Not ist groß und die Arbeit im Moment wenig und schlecht bezahlt. Die Zunftmitglieder wissen nach der Pest nicht, wovon sie leben sollen, und bis sie sich von dem Unglück erholt haben, kann ich sie nicht zwingen, in die Kasse einzubezahlen.«
Arnau sah Guillem an, der unbewegt neben ihm hinter dem Tisch saß, auf dem das rot schimmernde Seidentuch lag.
»So schlimm ist die Lage?«, fragte Arnau.
»Du kannst es dir nicht vorstellen. Bei den gestiegenen Lebensmittelpreisen reicht unser Verdienst nicht aus, um unsere Familien zu ernähren. Und dann sind da die Witwen und Waisen derjenigen, die gestorben sind. Man muss ihnen helfen. Wir brauchen Geld, Arnau. Wir werden es dir bis auf die letzte Münze zurückzahlen.«
»Ich weiß.«
Arnau sah erneut hinüber zu Guillem, um seine Zustimmung einzuholen. Was wusste er selbst schon von Darlehen? Bislang hatte er nur Geld angenommen. Noch nie hatte er welches verliehen.
Guillem stützte den Kopf in die Hände und seufzte.
»Wenn es nicht möglich ist …«, begann Sebastià.
»Doch«, unterbrach ihn Guillem. Sie befanden sich seit zwei Monaten im Krieg, und er hatte noch keine Nachrichten von seinen Sklaven. Was kam es da auf ein paar Münzen mehr oder weniger an? Es war Hasdai, der sich in den Ruin stürzte. Arnau konnte sich dieses Darlehen leisten. »Wenn meinem Herrn euer Wort genügt …«
»Es genügt mir«, sagte Arnau sofort.
Arnau zählte das Geld ab, um das ihn die Zunft der Bastaixos gebeten hatte, und überreichte es feierlich an Sebastià. Guillem sah, wie sie aufstanden und sich über den Tisch hinweg schweigend die Hand reichten, während sie ungeschickt versuchten, bei einem Händedruck, der ewig dauerte, ihre Gefühle zu verbergen.
Im dritten Kriegsmonat – Guillem hatte bereits begonnen, die Hoffnung zu verlieren – trafen die vier Händler alle gleichzeitig ein. Als der Erste von ihnen in Sizilien gelandet war und von dem Krieg mit Mallorca erfuhr, hatte er auf die Ankunft der übrigen katalanischen Schiffe gewartet, unter denen sich auch die anderen drei Galeeren befanden. Alle Kapitäne und Händler beschlossen, den Seeweg über Mallorca zu meiden, und die vier verkauften ihre Ware in Perpignan, der zweitwichtigsten Stadt des Prinzipats. Wie der Maure ihnen aufgetragen hatte, trafen sie Guillem nicht in Arnaus Wechselstube, sondern im Handelshof in der Calle Carders. Dort überreichten sie ihm nach Abzug ihres Viertelanteils am Gewinn die jeweiligen Wechselbriefe über die Einlagesumme sowie die drei Viertel, die Arnau zustanden. Es war ein Vermögen! Katalonien brauchte Arbeitskräfte und die Sklaven waren zu einem exorbitanten Preis verkauft worden.
Als die vier Händler gegangen waren und niemand im Handelshof auf ihn achtete, küsste Guillem die Wechsel, einmal, zweimal, tausendmal.
Dann machte er sich auf den Rückweg zur Wechselstube, doch auf Höhe der Plaza del Blat überlegte er es sich anders und ging zum Judenviertel. Nachdem er Hasdai Bescheid gegeben hatte, kehrte er übers ganze Gesicht strahlend nach Santa María zurück.
Als er die Wechselstube betrat, traf er Arnau mit Sebastià sowie einem Priester an.
»Guillem«, begrüßte ihn Arnau, »ich möchte dir Pater Juli Andreu vorstellen. Er ist der Nachfolger von Pater Albert.«
Guillem machte eine ungeschickte Verbeugung vor dem Priester. Noch mehr Darlehen, dachte er.
»Es ist nicht, was du denkst«, sagte Arnau.
Guillem betastete die
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