Die Kathedrale des Meeres
hatte, damit er keinen Schaden anrichten konnte. Bernat Estanyol war es, der damals im ersten Hungerjahr auf der Plaza del Blat zum Aufruhr aufrief. Erinnert Ihr Euch? Dort wurde er auch gehängt …«
»Und sein Sohn verbrannte den Leichnam«, redete Genis Puig erneut dazwischen.
Nicolau zuckte zusammen. Jaume de Bellera warf dem Zwischenrufer einen vernichtenden Blick zu.
»Er verbrannte den Leichnam?«, fragte Nicolau.
»Ja. Ich habe es selbst gesehen«, log Genis Puig, während er an die Erzählungen seiner Mutter dachte.
»Und habt Ihr ihn angezeigt?«
»Ich …«, stotterte Genis. Der Herr von Bellera wollte eingreifen, doch Nicolau brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Ich war noch ein Kind. Ich hatte Angst, er könnte dasselbe mit mir tun.«
Nicolau stützte das Kinn in die Hand, um ein kaum merkliches Lächeln zu verbergen. Dann bat er den Herrn von Bellera, fortzufahren.
»Seine Mutter, die Alte, die dort draußen wartet, ist eine Hexe. Mittlerweile verdient sie ihr Brot als Hure, doch vor vielen Jahren war sie meine Amme und gab das Böse an mich weiter. Sie verhexte mich mit ihrer Milch, die eigentlich für ihren Sohn bestimmt war.« Nicolau riss bei dem Geständnis des Adligen erschreckt die Augen auf. Der Herr von Navarcles bemerkte es. »Seid unbesorgt«, setzte er rasch hinzu. »Als die Krankheit sich zeigte, brachte mich mein Vater unverzüglich zum Bischof. Meine Eltern sind Llorenç und Caterina de Bellera. Ihr könnt überprüfen, dass noch nie jemand aus meiner Familie die Fallsucht hatte. Es kann nur die verhexte Milch gewesen sein!«
»Sie ist eine Dirne, sagtet Ihr?«
»Ja, Ihr könnt Euch dessen vergewissern. Sie nennt sich Francesca.«
»Und die andere Frau?«
»Sie wollte unbedingt mitkommen.«
»Ist sie ebenfalls eine Hexe?«
»Das bleibt Eurem Urteil überlassen.«
Nicolau dachte nach.
»Gibt es noch etwas?«, fragte er dann.
»Ja«, brach es aus Genis Puig heraus. »Arnau hat meinen Bruder Guiamon getötet, als dieser sich weigerte, an seinen teuflischen Riten teilzunehmen. Er versuchte ihn bei Nacht am Strand zu ertränken. Danach ist er gestorben.«
Nicolau wandte seine Aufmerksamkeit Genis zu.
»Meine Schwester Margarida kann es bezeugen. Sie war dabei. Sie erschrak und versuchte zu fliehen, als Arnau begann, den Teufel anzurufen. Sie wird es Euch bestätigen.«
»Und Ihr habt ihn damals nicht angezeigt?«
»Ich habe erst jetzt davon erfahren, als ich meiner Schwester erzählte, was ich vorhatte. Sie hat noch immer schreckliche Angst, Arnau könnte ihr Schaden zufügen. Seit Jahren findet sie keine Ruhe.«
»Das sind schwere Anschuldigungen.«
»Berechtigte Anschuldigungen«, setzte der Herr von Bellera hinzu. »Ihr wisst, dass dieser Mann es sich zum Ziel gemacht hat, die Obrigkeit zu untergraben. Auf seinen Besitzungen schaffte er gegen den Willen seiner Ehefrau die Leibeigenschaft ab. Hier in Barcelona verleiht er Geld an die Armen, und es ist bekannt, dass er in seiner Funktion als Seekonsul häufig Urteile zugunsten des Volkes fällt.« Nicolau Eimeric hörte aufmerksam zu. »Sein ganzes Leben hindurch hat er die Gesetze hintertrieben, von denen unser Zusammenleben bestimmt werden sollte. Gott hat die Bauern erschaffen, damit sie für ihre Grundherren das Land bestellen. Selbst die Kirche hat ihren Bauern verboten, den Habit zu nehmen, um ihre Arbeitskraft nicht zu verlieren …«
»Im neuen Katalonien gibt es keine Leibeigenschaft mehr«, unterbrach ihn Nicolau.
Genis Puig sah vom einen zum anderen.
»Genau das ist es, was ich meinte.« Der Herr von Bellera fuchtelte heftig mit den Händen. »Im neuen Katalonien gibt es keine Leibeigenschaft mehr. Im Interesse des Königs, im Interesse Gottes. Das von den Ungläubigen eroberte Gebiet musste bevölkert werden, und das ging nur, indem man die Leute anlockte. Der König hat es so beschlossen. Doch Arnau … Arnau ist nichts anderes als ein Handlanger des Teufels.«
Genis Puig lächelte, als er sah, dass der Generalinquisitor leise nickte.
»Er verleiht Geld an die Armen«, fuhr der Adlige fort, »Geld, von dem er weiß, dass er es nie zurückbekommen wird. Gott hat die Menschen als Reiche und Arme geschaffen. Es kann nicht sein, dass die Armen Geld haben und ihre Töchter verheiraten wie die Reichen. Es ist gegen Gottes Gesetz. Was sollen die Armen von Euch Kirchenmännern und uns Adligen denken? Erfüllen wir nicht die Vorschriften der Kirche, indem wir die Armen als das behandeln, was
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