Die Kathedrale des Meeres
Joan trat auf Arnau zu, um ihn zu umarmen. »Aber …«
»Ich muss sie sehen, Joan.« Arnau packte den Mönch bei den Schultern, bevor dieser ihn umarmen konnte, und schüttelte ihn sanft. »Ich will nicht sterben, ohne noch einmal mit ihr gesprochen zu haben.«
»Himmel, sag doch nicht so etwas!«
»Doch, Joan. Ich könnte hier verrecken, und nur ein Dutzend hoffnungsloser Unglücklicher wären Zeugen. Ich will nicht sterben, ohne die Möglichkeit bekommen zu haben, Mar noch einmal zu sehen.«
»Aber was willst du ihr sagen? Was kann so wichtig sein?«
»Ich will sie um Vergebung bitten, Joan. Und ihr sagen, dass ich sie liebe.« Joan versuchte, sich aus dem Griff seines Bruders zu lösen, doch Arnau hinderte ihn daran. »Du kennst mich. Du bist ein Mann Gottes. Du weißt, dass ich nie jemandem etwas zuleide getan habe. Nur diesem Mädchen …«
Es gelang Joan, sich loszumachen. Er fiel vor seinem Bruder auf die Knie.
»Nicht du warst es«, begann er.
»Ich habe nur dich, Joan«, fiel ihm Arnau ins Wort und kniete gleichfalls nieder. »Du musst mir helfen. Du hast mich nie im Stich gelassen. Tu es auch jetzt nicht. Du bist alles, was ich habe, Joan!«
Joan schwieg.
»Und ihr Mann?«, fragte er schließlich. »Vielleicht gestattet er nicht, dass …«
»Er ist tot«, erklärte Arnau. »Ich habe davon erfahren, als er aufhörte, seine Zinsen bei mir zu zahlen. Er starb im Dienst des Königs bei der Verteidigung Calatayuds.«
»Aber …«, machte Joan einen erneuten Anlauf.
»Joan, ich bin durch einen Schwur an meine Ehefrau gebunden, der es mir verbietet, mit Mar zusammen zu sein, solange sie lebt. Aber ich muss sie sehen. Ich muss ihr meine Gefühle offenbaren, selbst wenn wir nie zusammenkommen können.« Arnau fasste sich wieder. Es gab noch einen Gefallen, um den er seinen Bruder bitten wollte. »Geh in der Wechselstube vorbei. Ich wüsste gerne, wie die Lage dort ist.«
Joan seufzte. Als er an diesem Morgen in die Wechselstube gekommen war, hatte Remigi ihm eine Geldbörse überreicht.
»Es war kein gutes Geschäft«, sagte der Angestellte.
Nichts war ein gutes Geschäft. Nachdem er Arnau versprochen hatte, das Mädchen aufzusuchen, bezahlte Joan an der Tür des Verlieses den Kerkermeister.
»Er hat einen Eimer verlangt.«
Wie viel kostete wohl ein Eimer? Joan drückte dem Mann eine weitere Münze in die Hand.
»Ich will, dass der Eimer immer sauber ist.« Der Kerkermeister steckte das Geld ein und wandte sich zum Gehen. »Da drin liegt ein toter Gefangener«, setzte Joan hinzu.
Der Wärter zuckte nur mit den Schultern.
Joan verließ den Bischofspalast nicht, sondern ging geradewegs zu Nicolau Eimeric. Er kannte diese Gänge. Wie oft hatte er sie in jungen Jahren durchmessen, voller Stolz auf seinen Einfluss? Nun waren es andere, tadellos gekleidete junge Priester, die ihm in den Gängen begegneten und die sich keine Mühe gaben, bei seinem Anblick ihr Befremden zu verbergen.
»Hat er gestanden?«
Er hatte ihm versprochen, Mar zu suchen.
»Hat er gestanden?«, fragte der Generalinquisitor noch einmal.
Joan hatte sich die ganze Nacht auf dieses Gespräch vorbereitet, doch nun war alles, was er sich überlegt hatte, wie weggeblasen.
»Wenn er gestände, welche Strafe würde ihn erwarten?«
»Ich sagte dir ja bereits, dass es sich um eine sehr ernste Angelegenheit handelt.«
»Mein Bruder ist sehr reich.«
Joan hielt Nicolau Eimerics Blick stand.
»Hast du vor, das Sanctum Officium zu kaufen? Du, ein Inquisitor?«
»Geldstrafen sind durchaus üblich. Ich bin sicher, wenn man Arnau eine Geldstrafe vorschlüge …«
»Du weißt, dass dies von der Schwere des Vergehens abhängt. Die Vorwürfe gegen ihn …«
»Elionor kann ihm nichts vorwerfen«, wandte Joan ein.
Der Generalinquisitor erhob sich und beugte sich zu Joan, die Hände auf den Tisch gestützt.
»Dann wisst ihr also beide«, sagte er und erhob die Stimme, »dass es die Ziehtochter des Königs war, die ihn angezeigt hat. Seine eigene Ehefrau, die Ziehtochter des Königs! Wie kommt ihr darauf, dass sie es war, wenn dein Bruder nichts zu verbergen hat? Welcher Mann verdächtigt seine eigene Ehefrau? Warum nicht einen Geschäftspartner, einen Angestellten oder einen Nachbarn? Wie viele Menschen hat Arnau in seiner Funktion als Seekonsul verurteilt? Weshalb sollte es nicht einer von ihnen gewesen sein? Antworte, Bruder Joan: Warum die Baronin? Welche Sünde verheimlicht dein Bruder, dass er weiß, dass sie es war?«
Joan
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