Die Katze, die den Dieb vertrieb
Wasser heraus.
Er schaltete die Nachrichten ein: »An der offiziellen Meßstelle in Brrr sind in einer Stunde hundertzwanzig Millimeter Regen gefallen. Viele asphaltierte Nebenstraßen stehen zehn Zentimeter unter Wasser, und das Sheriffbüro rät den Autofahrern dringend, möglichst auf den Hauptstraßen zu bleiben. Im Tal des Black Creek gehen Feuerwehrmänner von Tür zu Tür und fordern die Bewohner auf, sich auf höher gelegenes Gelände zu begeben. In Schulen und Kirchen werden Notunterkünfte vorbereitet.«
Der Verkehr war schwach für einen Samstag, und im Stadtzentrum waren nur wenige Fußgänger unterwegs. Qwilleran und Kemple waren die einzigen Gäste bei Onoosh.
Ihr Geschäftspartner servierte. »Wir haben unseren Mädchen gesagt, sie sollen zu Hause bleiben. Onoosh ist allein in der Küche«, sagte er.
Sie winkte ihnen durch die Durchreiche.
Qwilleran bestellte gefüllte Weinblätter und Tabuleh. Kemple entschied sich für Pita-Brot mit Falafel.
»Sie haben nach Tracy gefragt«, sagte er, noch immer in vertraulichem Tonfall. »Ihre Mutter ist jetzt wieder da; sie weiß, wie man sie behandeln muß. Sie können miteinander reden.«
»Hat Tracy den Zeitungsbericht über die Hochzeit gesehen?«
»Erst als sie sich beruhigt hatte, aber jetzt sieht sie die Situation völlig anders. Sie hat Schuldgefühle.«
»Wie erklären Sie sich das?«
»Erinnern Sie sich an unsere kleine Puppe, die in Lennys Spind gefunden wurde? Wir hatten sie als gestohlen gemeldet… und jetzt nimmt das Drama seinen Lauf! Erste Szene: Tracy hatte sie ohne unser Wissen Carter Lee als Glücksbringer geschenkt. Zweite Szene: Sie und Lenny hatten einen Streit, und in der Hitze des Gefechts sagte er, Carter Lee sei ein Schwindler. Dritte Szene: Sie hat meiner Frau soeben gestanden, daß sie Carter Lee erzählt hat, was Lenny sagte.«
»Warum?« fragte Qwilleran.
»Das war bei einem ihrer glanzvollen Rendezvous mit dem feinen Herrn aus der Großstadt. Sie waren im Palomino Paddock und tranken Margaritas. Sie war schließlich so beschwipst, daß sie nicht mehr wußte, was sie tat.«
»Interessant«, sinnierte Qwilleran und faßte sich an den Schnurrbart.
»Als die Puppe in Lennys Spind auftauchte, hatte sie Angst, etwas zu sagen. Das hätte ihre Chancen bei Carter Lee zunichte gemacht. Aber jetzt haßt sie ihn, und es tut ihr leid, was mit Lenny passiert ist. Sie will zu seiner Verhandlung gehen und dem Richter die Wahrheit sagen.«
»Jetzt wird es kompliziert, Ernie. Indem sie den einen verteidigt, beschuldigt sie den anderen. Wenn er die Puppe in Lennys Spind gelegt hat, liegt nahe, daß er auch das Video, die Sonnenbrille und die anderen Sachen hineingelegt hat. Und das wiederum würde bedeuten, daß er sie gestohlen hat. Er mag vielleicht ein Schuft sein und ein Mann, der andere benutzt, aber ob er deshalb gleich ein Dieb ist? Er ist ein angesehener Mann und beruflich sehr erfolgreich. Weshalb sollte er da herumlaufen und Sonnenbrillen klauen? Und das Geld des Bridgeclubs stehlen – ganz zu schweigen von seinem eigenen Mantel am Neujahrsfest? Bevor Tracy irgend etwas unternimmt, sollte sie G. Allen Barter konsultieren.«
Kemple, der über den Tisch gebeugt dagesessen hatte, lehnte sich nun auf seinem Stuhl zurück und holte tief Luft. »Deshalb wollte ich mit Ihnen reden, Qwill. Das ist eine gute Idee.«
»Noch etwas, Ernie: Ich sage das nicht gern, aber ist es möglich, daß Tracy lügt, um sich an Carter Lee zu rächen?«
»Ich muß zugeben, daran habe ich auch schon gedacht, Qwill. Wissen Sie, meine Tochter war einmal ein süßes, unschuldiges Mädchen. Aber ist ein wenig vom Weg abgekommen, und die Umstände haben sie sehr verändert.«
»Wenn sie wirklich lügt, könnte sie große Schwierigkeiten bekommen. Ja… Sie sollten lieber schnell mit Bart reden.«
»Vielen Dank für Ihre Anteilnahme und Ihren Rat, Qwill.« Er griff nach der Rechnung. »Das Mittagessen geht auf meine Rechnung, und ich lege sogar noch eine kleine handgemachte Holzpuppe als Glücksbringer dazu.«
»Behalten Sie sie!« sagte Qwilleran. »Ich habe schon soviel Glück, wie ein Mensch sich nur wünschen kann… Übrigens, wie laufen die Proben für Hedda Gabler?«
Kemples brüllendes Lachen erschütterte die Perlenschnüre, die die Deckenlampen säumten. »Ich nenne das Stück Hedda Gabelstapler. Danielle spielt nicht die Hedda; sie spielt die Adelaide aus Guys and Dolls. Und ich spiele nicht den Assessor Brack; ich spiele den Schurken aus Der
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