Die Katze, die den Dieb vertrieb.
die Flitterwochen beim Mardi Gras in New Orleans verbringen wollten… Nein, sie würden nicht kirchlich heiraten – nur eine schlichte Feier im kleinen Rahmen im Clubhaus von Indian Village… Ja, dort hätten sie sich auch kennengelernt, und zwar am Bridgetisch.
Als die Gäste gegangen waren, war Qwillerans erste Frage an Polly: »Hast du etwas davon gewußt?« Er half ihr beim Aufräumen.
»Ich hatte nicht die leiseste Ahnung! Sie kennen sich ja noch nicht sehr lange. Ich hoffe nur, sie weiß, was sie tut.«
»Ich dachte, sie sei sehr engagiert in der Kirche. Warum dann keine kirchliche Hochzeit?« fragte er.
»Ich kann mir denken, warum«, sagte Polly. »Ich war vor zwanzig Jahren dabei, als sie bei ihrer kirchlichen Trauung im wahrsten Sinne des Wortes sitzengelassen wurde. Sie trug das Satinkleid ihrer Großmutter mit einem langen Schleier und einem Brautstrauß aus weißen Rosen und Veilchen. Ihre sechs Brautjungfern trugen violetten Taft. Die Kirche war voll mit Hochzeitsgästen. Doch der Bräutigam und der Brautführer kamen nicht. Irgend jemand rief im Hotel an: Sie seien schon weg, sagte man ihm. Also wurde angenommen, sie seien auf dem Weg in die Kirche. Der Orgelspieler begann irgendwelche Stücke zu spielen, um die nervösen Gäste zu beruhigen. Irgend jemand rief bei der Polizei an, um zu fragen, ob es womöglich einen Unfall gegeben hätte. Wir gingen in den Vorraum und warteten und warteten. Lynette wurde immer blasser, bis sie schließlich in Ohnmacht fiel. Der Bräutigam ist nicht erschienen.«
»Das war aber ganz schön brutal«, sagte Qwilleran. »Was war denn los mit dem Burschen?«
»Er war ein einheimischer Junge aus einer guten Familie, der sowohl Angst vor der Ehe hatte als auch Angst, die Hochzeit abzusagen. Seine Familie ist fast gestorben vor Scham.«
»Was ist aus ihm geworden? Ist er jemals wieder hier aufgetaucht?«
»Er ist zur Armee gegangen und hat den Kontakt zu allen Leuten hier abgebrochen. Lynette mußte ins Krankenhaus gebracht werden. Das Schlimmste daran war, die vielen Hochzeitsgeschenke zurückzugeben!«
Qwilleran sagte: »Also ist das wahrscheinlich der Grund, warum sie nicht möchte, daß etwas darüber in der Zeitung steht, bis die Trauung vorbei ist.«
»Es sieht so aus, nicht wahr?« pflichtete ihm Polly bei. »Wie mir schien, war Danielle nicht sehr glücklich über die Verlobung ihres Cousins.«
»Irgend jemand sollte ihr sagen, daß sie nicht einen Cousin verliert, sondern eine angeheiratete Cousine dazugewinnt.« Dann überlegte er einen Augenblick und sagte: »Glaubst du, Lynette rächt sich, indem sie Carter Lee sitzenläßt?«
»Aber, Qwill! Wie kannst du nur so zynisch sein? So etwas würde sie nie tun!«
Am Morgen nach Lynettes Geburtstagsfeier und der überraschenden Verkündung ihrer Verlobung wurde Qwilleran von einem lauten Pochen aus dem Schlaf gerissen, das er im ersten Schrecken für seinen Herzschlag hielt; wie sich jedoch herausstellte, handelte es sich wieder einmal um Wetherby Goodes Weckmusik aus dem Sousaphon. Der Ton war so leise gestellt, daß nur das Schlagzeug zu hören war, das über den Stahlträger, der über die ganze Länge von Gebäude fünf verlief, weitergeleitet wurde. Qwillerans freundlicher Nachbar hatte ihm eine Broschüre, die eine Liste von fünfzig Sousa-Märschen enthielt, hinter die Türklinke gesteckt, aber ob er an diesem Tag den U.S. Field Artillery March (1917) oder Pet of the Petticoats (1883) gewählt hatte, war nicht zu erkennen.
Die Katzen waren jedenfalls munter und konnten den Rhythmus hören und spüren. Koko, der auf sein Frühstück wartete, saß auf den Hinterbeinen und klopfte im Takt mit dem Schwanz auf den Teppichboden.
Ein bemerkenswerter Kater, dachte Qwilleran. Er fütterte die Katzen, bürstete sie und beteiligte sich ein wenig an ihrem morgendlichen Fitnessprogramm. Obwohl es ein kalter Tag war, herrschte strahlender Sonnenschein, der durch das Wohnzimmerfenster hereinflutete und die einsame Hausfliege wiederbelebte, die im Preis, für die Eigentumswohnung inbegriffen war. Bei ihrem kleinen Spiel stand Qwilleran mit einer gefalteten Zeitung da, bereit zum Zuschlagen; die Katzen sprangen in die Luft und holten – erfolglos – mit den Pfoten aus und stießen zusammen, während die Fliege spielerisch im zweistöckigen Wohnzimmer herumschwirrte. Sie lebte schon lange genug bei ihnen, um einen Namen zu haben – Mosca –, und keiner ihrer Verfolger wollte sie wirklich erwischen.
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