Die Katze namens Eisbär
Cleveland Amory
Die Katze namens Eisbär
Bezaubernde Geschichten um eine besondere Katze
Scherz
1. Auflage 1991
Einzig berechtigte Übersetzung
aus dem Amerikanischen von Mechtild Sandberg.
Titel der Originalausgabe »The Cat and the Curmudgeon.«
Copyright © 1990 by Cleveland Amory.
Gesamtdeutsche Rechte beim Scherz Verlag, Bern, München, Wien.
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen,
fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art und
auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.
Schutzumschlag unter Verwendung einer
Zeichnung von Klaus Holitzka
Dieses Buch ist mit der ganzen Zuneigung,
die ein Griesgram aufzubringen imstande ist,
all denen gewidmet,
die irgendwann und irgendwo einmal
von einem Tier besessen wurden –
ganz besonders aber all denen,
die durch eine Rettungsaktion in Feld oder Wald,
auf einer Straße, in einem öffentlichen Park
oder einer privaten Zufluchtsstätte
in diese Lage kamen.
1. Was heißt hier schon berühmt?
Manche Katzen, sagt Shakespeare irgendwo, kommen schon als Größen zur Welt, manche erringen Größe, und manchen wird sie aufgedrängt.
In Wirklichkeit hat Shakespeare das nicht von den Katzen gesagt, sondern von den Menschen, und bestimmt werden ein paar Puristen da auch sofort einhaken. Genaugenommen haben sie zwar recht, nur habe ich, ehrlich gesagt, immer gefunden, daß Shakespeare viel zu stark auf Menschen fixiert war. Was er über Katzen zu sagen hat, ist armselig. Ich könnte mir aber vorstellen, daß er sie, wenn er mehr über sie gewußt und sich eingehender mit ihnen befaßt hätte, sehr wohl in sein Werk einbezogen hätte.
Ich weiß nicht, ob Eisbär schon als Größe geboren wurde. Als ich ihn an einem verschneiten Weihnachtsabend vor zwölf Jahren aus einem New Yorker Hinterhof rettete, war er bereits ein ausgewachsener Kater. Aber seit ich ihn das erstemal zu Gesicht bekommen, seit ich gesehen hatte, daß er trotz Hunger und Kälte und all seiner Verwundungen nicht kapituliert hatte, war für mich zumindest der Beweis erbracht, daß er Größe errungen hatte und man ihm kaum noch mehr aufzudrängen brauchte.
Es war auch nicht Größe, die ihm aufgedrängt wurde. Aber da er der Held eines Buches war, sein Foto auf den Titelseiten verschiedener Zeitschriften erschien und er als Folge davon mit Fan-Briefen überschüttet wurde, wurde ihm, ob er es wollte oder nicht, etwas aufgedrängt, das in unserer modernen Welt häufig mit Größe verwechselt wird. Ich spreche von Prominenz.
Vor langer, langer Zeit war es auf der Erde kalt und dunkel. Dennoch bevölkerten viele verschiedene Arten von Geschöpfen das Land und die Gewässer. Es gab zum Beispiel Dinosaurier. Eines jedoch gab es nicht – Prominente. Weder zu Wasser noch zu Land wäre damals auch nur ein einziger Prominenter zu finden gewesen. Ganz einfach deshalb, weil das Wort noch gar nicht erfunden war. In jener Zeit hätte man über einen Dinosaurier, der bekannter war als die anderen, vielleicht sagen können, daß er berühmt sei oder Ruhm besitze; aber hätte man gesagt, er sei prominent, so hätte es keiner verstanden.
Früher machten die Leute einen deutlichen Unterschied zwischen Zeitgenossen, die berühmt waren, und solchen, die berüchtigt waren. Berühmt zu sein war etwas Positives, berüchtigt zu sein immer etwas Negatives. Ein berüchtigter Dinosaurier mag zwar weithin bekannt gewesen sein, aber er hätte in sehr schlechtem Ansehen gestanden.
Als jedoch das Wort »prominent«, wie wir es heute so gern verwenden, in Gebrauch kam, verwischte sich der alte Unterschied zwischen »berühmt« und »berüchtigt«; ob man gut oder schlecht angesehen war, spielte keine Rolle mehr, Hauptsache, man war »prominent.« Von nun an strebte praktisch jeder nach Prominenz. Gangster wollten zur Prominenz gehören, Bankräuber und Börsenspekulanten ebenso wie Immobilienhaie. Eltern wünschten sich, ihr Kind würde später einmal, wenn schon nicht Präsident der Vereinigten Staaten, so doch wenigstens prominent werden.
Doch eine bemerkenswerte Ausnahme gab es von dieser Regel, und das war, wie Sie wahrscheinlich schon erraten haben, Eisbär. Der legte überhaupt keinen Wert auf Prominenz. Schon deshalb nicht, weil man als Prominenter gezwungen ist, dauernd neue Menschen kennenzulernen, und er neue Menschen nicht mochte und gar keine Lust hatte, sie kennenzulernen. Er kannte
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