Die Katze namens Eisbär
im Schwitzkasten hielt, tapfer lächelte und fröhlich plaudernd erzählte, was für ein reizender Kater er sei, und dabei mannhaft versuchte, nicht zu wimmern, obwohl die Krallen seiner Vorderpfoten sich immer tiefer in meine Knie schlugen und die seiner Hinterpfoten sich in Regionen verirrten, wo Krallen absolut nicht hingehören.
Anfangs bemühte sich der Produzent nach Kräften, so zu tun, als liefe alles bestens, schließlich aber, offensichtlich um das Schicksal seiner Sendung besorgt, signalisierte er, daß das Interview vorüber sei. Zum Abschluß, meinte er, sollten wir wenigstens noch eine Einstellung mit etwas mehr Action drehen. Ich erklärte ihm, wenn ich noch mehr Action über mich ergehen lassen müsse, sei zweifelhaft, ob ich je Kinder bekommen würde. Aber das ignorierte er. Er hielt bereits nach einem geeigneten Aufnahmeort Ausschau.
Als nächstes erblickte ich ihn draußen auf dem Balkon, nicht auf meinem Teil des Balkons, sondern auf Eisbärs. Mit triumphierender Miene kam er wieder herein. »Das ist es«, sagte er und regte an, Eisbär für die letzte Einstellung aus dem Schlafzimmerfenster springen zu lassen. Auf dem Balkon würde ein Kameramann postiert sein, um den Sprung aufzunehmen, genau das richtige Bild, um die Sendung zu beschließen.
In der Theorie machte sich dieser Plan ausgezeichnet. In der Praxis jedoch, das wußte ich, würde es ganz anders kommen. Ich wies darauf hin, daß Eisbär den Kameramann bestimmt sehen und dann nicht nur nicht hinausspringen, sondern wie der Blitz in der entgegengesetzten Richtung davonflitzen würde. Ich wüßte zwar nicht, fügte ich hinzu, wie er sich dazu stelle, einen seiner Kameraleute in Ausübung seiner Pflicht zu verlieren, aber es spreche meiner Meinung nach einiges dafür, daß er von Glück sagen könne, wenn dieser hier mit ein paar Kratzern davonkäme.
Aber der Produzent wollte von solcher Unkerei nichts hören. Er meinte, ich solle Eisbär von der Seite her zum Fenster hinausstoßen, so daß dieser die Kamera erst entdecke, wenn er schon mitten im Sprung sei. Genau so einen Abschluß brauche die Sendung, erklärte er nochmals, und er sei sicher, es würde eine tolle Aufnahme werden.
Es wurde wirklich toll. Anfangs schien es, als sei alles unter Kontrolle. Die übrigen Mitglieder des Teams zogen – um Eisbär zu täuschen – unter lautem Getöse zur Tür hinaus, als gingen sie für immer. Gleichzeitig schlich sich ein Kameramann mit seiner Kamera ins Schlafzimmer und stieg durch das Fenster auf Eisbärs Balkon hinaus, wo er geduckt an seinen Posten kroch. Dann war ich an der Reihe. Eisbär noch immer fest mit beiden Händen haltend, ging ich ins Schlafzimmer und trat neben das Fenster. Hier wartete ich auf mein Stichwort. Als es kam, streckte ich beide Arme zum Fenster aus und schleuderte Eisbär mit einer schnellen, kräftigen Bewegung nach rechts. Während ich für die Kamera unsichtbar blieb, sauste Eisbär durch die Luft wie eine Rakete.
Sobald er sah, daß sein Refugium okkupiert war und er dem Feind buchstäblich in die Fänge flog, schaffte er es irgendwie, mitten im Sprung eine Reihe unorthodoxer, rasch aufeinanderfolgender Bewegungen zu vollziehen – so rasant, daß sie fließend ineinander überzugehen schienen. Zuerst geriet sein Körper in wilde Zuckungen, dann kam die Wendung in die entgegengesetzte Richtung, ein kurzer Aufsetzer erst mit der linken, dann mit der rechten Pfote, eine blitzschnelle rechte Gerade ans Kinn des Kameramanns und schließlich ein Riesensatz direkt zurück in meine Arme. Er schaffte es sogar, mir noch einen saftigen linken Haken in den Magen zu verpassen, nur um mir klarzumachen, was er von meiner Hinterhältigkeit hielt. Zum Glück bekam mein Fernsehpublikum das nicht mit, Eisbärs bösartige rechte Gerade ans Kinn des Kameramanns aber war für alle zu sehen. Und das ausgerechnet am Heiligen Abend, der Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen verheißt.
Interviews, bei denen keine Fernsehkameras zugegen waren, gestalteten sich kaum glücklicher. Früher oder später wurde immer ein Foto gemacht, und für Eisbär war mittlerweile jeder Fotograf zum roten Tuch geworden. So kam zum Beispiel eines Tages eine Reporterin vom Toronto Star zu uns. Zunächst verlief das Interview ganz friedlich. Eisbär blieb brav auf meinem Schoß und versuchte noch nicht einmal zu verschwinden. Doch das war nur die Ruhe vor dem Sturm. Als es draußen läutete und der Fotograf erschien, der die Reporterin
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