Die keltische Schwester
euch dazu, immer genau das Gegenteil dessen zu machen, wovon ihr glaubt, dass sie es erwartet. Beni strengt sich aufs Äußerste an, die erfolglose Schülerin zu spielen, und du gibst dir die größte Mühe, deine und Roberts Qualitäten unter den Teppich zu kehren. Dabei hätten alle Beteiligten es leichter, wenn ihr euch auch eurer Mutter gegenüber so geben würdet, wie ihr wirklich seid.«
Beni und ich sahen uns betroffen an.
»Na, dann wird es langsam Zeit, dass wir das ablegen, was, Beni?«
»Ja, wahrscheinlich.« Sie nickte, aber dann strahlte das spitzbübische Grinsen wieder auf, und sie sagte: »Aber einmal noch, Lindis!«
»Einmal noch!«
Wir sahen herrlich schlampig aus. Robert hatte sich zu meinem größten Vergnügen zwei Tage lang nicht rasiert, und auf besonders gutem Fuß mit dem Kamm stand er auch nicht. Mutter beäugte ihn höchst kritisch, als er sich schlaksig in die Wohnung drängte. Mein Vater zuckte auch zuerst zurück, aber er umarmte Beni und mich dann mit überraschender Herzlichkeit und begrüßte Robert freundlich. Dann sagte er nicht mehr sehr viel, wie es seine Art war. Aber ich merkte, dass er Robert immer wieder ansah, als ob er irgendetwas nicht ganz glauben wollte, während Mutter zunächst mich und Beni über unser Befinden eingehend ausfragte.
»Ja, ja, ich habe ein Zeugnis gekriegt. Aber so richtig zum Vorzeigen ist es nicht.«
»Bernadine, bitte. Wir als Eltern haben ein Recht darauf, es zu sehen.«
Mit großem Theater rückte Beni dann endlich das Dokument heraus und reichte es Vater. Der warf mit steinernerMiene einen Blick darauf und sagte dann: »Gut, das ist wirklich nichts, was man vorzeigen sollte«, und hielt es fest, obwohl unsere Mutter begierig danach sah. Ich wunderte mich ein klein wenig über seine Reaktion, denn ich fand Benis Beurteilung ausgezeichnet.
Da Mutter im Augenblick nichts erreichte, widmete sie sich Robert.
»So, in der Bretagne haben Sie sich kennengelernt. Haben Sie da Urlaub gemacht, Herr Caspary?«
»Ein wenig. Hey, Lindis, willst du es ihnen nicht lieber gleich sagen?«
»Was gleich sagen, Amalindis?«
»Ach, na gut. Also, wir haben letzte Woche geheiratet.«
Ich vermied es angestrengt, Beni anzusehen, die kurz vor einem Ausbruch stand. Mutter war so sprachlos, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Sie presste in bewährter Leidenshaltung die Hand auf den Magen. Mein Vater hob nur kurz eine Augenbraue, um mich anzusehen.
Endlich fand Mutter ihre Sprache wieder und rügte als Erstes Beni.
»Bernadine, ich muss doch bitten. Das ist keine lächerliche Angelegenheit!«
Völlig unerwartet stand mein Vater auf und bat mich: »Lindis, komm doch mal mit in mein Arbeitszimmer.«
»Gerne, Vater.«
»Ja, Bertrand, rede ein ernstes Wort mit ihr«, gab meine Mutter ihm drohend mit, wie sie es schon zu meiner Kindheit gemacht hatte, wenn sie glaubte, väterliche Autorität herbeizitieren zu müssen.
Mein Vater setzte sich hinter seinen Schreibtisch, und ich hockte mich auf die Tischkante.
»Robert Caspary, sagst du, heißt dieser junge Mann?«
»Ja, Vater.«
»So, so.« Er drehte sich in seinem Ledersessel um und griff in das Regal an der Wand. Er zog ein Buch hervor, schlug den Klappentext auf und betrachtete nachdenklich das Foto.
»Dr. Caspary?«
»Ja, Vater.«
»Eine Kapazität auf seinem Gebiet. Ich wusste doch, dass er mir irgendwie bekannt vorkam. Er hat sehr jung eine Professur bekommen.«
»Ja, Vater.«
»Möchtest du, dass ich mein Wissen mit deiner Mutter teile?«
Er sah plötzlich Beni in ihren schlimmsten Stimmungen ähnlich. Ich grinste ihn an.
»Ja, Papa.«
»Bist du glücklich mit ihm?«
»Schrecklich, Papa. Ich kenne ihn schon lange, aber wir haben uns erst diesen Sommer wirklich gefunden.«
Mein Vater stand auf und drückte mich an sich.
»Dann meine herzlichsten Glückwünsche, mein Mädchen. Ich freue mich für dich.«
Als er mich losgelassen hatte, trug er wieder seine übliche, etwas weltferne Miene.
Wir gingen zurück, Vater bewundernswert in seiner Haltung. Er trat auf Robert zu, der sich pflichtschuldig erhob.
»So, Robert Caspary also.«
»Ja, Herr Professor Farmunt.«
Robert fuhr sich mit dem Unterarm über die Nase und ergriff dann die Hand, die mein Vater ihm hinhielt.
»Lass diese Spielchen unter Kollegen, mein Junge!«, fuhr mein Vater ihn an, und ich sah Beni in ein Sofakissen beißen.
Mutter sah ihn erstaunt an, aber dann verstand sie plötzlich und stieß mit Empörung aus: »Ihr habt mich
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