Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
geistigen Auge bildete sich eine neue Energiestruktur heraus, die er über die Wand aus Wasser legte. Es war das Bild eines Tornados, der unten schmal und oben breit war und sich schneller und schneller um sich selbst drehte. Im Wasser entstand daraufhin ein Strudel, der mit großer Kraft alles in der Nähe in sein tiefes, dunkles Herz zog.
Die Energiebahnen flackerten unter der Kraft, die Ossacer und Mirron ihm schenkten. Sie waren jetzt nicht mehr blau, sondern grellorange und mit weißen, heftig zuckenden Linien durchsetzt. Er hatte Mühe, seine Schöpfung festzuhalten.
»Lass los«, sagte Ossacer. »Lass los, bevor du es verlierst.«
»Ich kann nicht«, keuchte Arducius. »Ich muss es verankern, sonst löst es sich einfach wieder auf.«
»Bündele es, so stark du kannst, und überlasse es sich selbst.«
Jhered blockte einen Stoß auf seinen Bauch ab und ließ seinen Gladius auf einen tsardonischen Helm niedersausen. Überall auf dem Deck wurde jetzt gekämpft. Die Ruderer waren nach vorn und hinten gestürmt und hatten sich in die Kämpfe eingeschaltet. Die drei verkeilten Schiffe trieben immer näher an die Mauer aus Wasser heran, die inzwischen auf der ganzen Länge beängstigend bebte.
Kovan kämpfte gut. Er hatte seine Furcht überwunden und wendete an, was er gelernt hatte. Er blockte und parierte wie ein erfahrener Soldat, und Jhered unterstützte ihn mit ermutigenden Rufen und deckte seine Flanke wie ein Bollwerk, an dem die Feinde zerbrachen.
Der benommene Gegner ging erneut auf Jhered los und hob sein Schwert. Jhered wehrte es ab und gab ihm den Rest, indem er ihm den Gladius unter die Rippen stieß. Der Mann brach auf dem Deck zusammen, aber sofort rückten zwei weitere nach. Kovan war mit einem dritten beschäftigt, und hinter ihnen arbeiteten die Aufgestiegenen äußerlich reglos.
Jhered zog den Schild vor sich. Der erste Feind griff sofort an, der zweite hing etwas zurück. Sie trugen leichte Lederrüstungen und kleine, am Unterarm befestigte runde Schilde. Lederkappen hielten Haare und Schweiß aus ihren Augen, und ihre Gesichterwaren bunt bemalt, als trügen sie Masken.
Jhered ließ ihn zuschlagen und wehrte den Streich mit seinem Schild ab. Dann stach er zu. Seine Klinge glitt von einer Schnalle ab. Er zog sie wieder zurück. Der Tsardonier setzte nach. Ein Fehler. Jhered rammte den Mann mit seinem Schild, und als der Gegner rückwärts taumelte, stieß er mit dem Schwert zu und stach es ihm tief in den Leib.
Dann richtete Jhered sich auf. Auch der zweite Gegner war jetzt bereit und hob einen Speer. Er holte aus, konnte aber nicht mehr werfen. Ein Pfeil durchbohrte seinen Hals. Jhered blickte hinter sich und nickte dankbar dem Kapitän zu, der die Ruderpinne verlassen hatte und gerade einen neuen Pfeil in den Bogen legte.
»Ich bin ja unnütz, wenn ich hier …«
Keuchend sank er auf die Knie; ein tsardonischer Pfeil steckte in seinem Hals. Jhered fuhr herum. Eine weitere Trireme näherte sich rasch, ihr Rammsporn schimmerte in der Sonne.
»Kovan, links. Verteidige dich auf der linken Seite.«
Die Aufgestiegenen standen jetzt. Es war ein denkbar ungünstiger Augenblick. Sie hatten die Gefahr, die sich näherte, noch nicht erkannt. Jhered wollte sie warnen, musste aber einsehen, dass er es nicht rechtzeitig schaffen konnte. Zwanzig Schritt entfernt spannten die Tsardonier ihre Bogen. Einige hatten auch Wurfspeere.
Kovan spaltete seinem Gegner den Schädel, drehte sich nach links und zuckte zusammen. Ossacer und Arducius liefen inzwischen langsam zur Reling im Heck. Rings um sie brodelte das Wasser und legte sich wie eine wallende Decke über sie, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Der Wind wurde rasch stärker, das Schiff glitt immer schneller zur Wand aus Wasser, die sich geteilt hatte, als wäre eine gewaltige Klinge hindurchgefahren. Mirron kam Jhered entgegen.
»Nein!«, schrie Jhered, um den Tumult zu übertönen. »Mirron, runter!«
Ein Speer flog gerade und schnell. Jhered sprang zu ihr und wusste doch, dass er nichts mehr ausrichten konnte. Dann flog ein Schatten vor ihm vorbei, und er hörte einen schrecklichen Aufprall. Jhered fing Mirron auf und zog sie herunter aufs Deck. Direkt neben ihnen stürzte Kovan. Sie starrten den Speer an, der in seiner Brust steckte.
Mirron kreischte. Kovan berührte sie beruhigend. Das Blut strömte aus seiner Wunde und aus seinem Mund.
»Weine nicht, Mirron. Es tut nicht weh.« Er lächelte, dann flatterten seine Augenlider und
Weitere Kostenlose Bücher