Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
Nacht immer wieder versagt, als die Temperatur stark gefallen war. Viele Seile waren gerissen, viele Balken gebrochen.
Die Konkordanz verlor den Mut. Roberto konnte es spüren. Seine Legionäre waren am Ende, die Nachwirkungen des Gewaltmarschs waren nicht zu verleugnen. Die Tsardonier wussten genau, dass sie schließlich doch noch siegen würden, wenn sie nur lange genug durchhielten, und genau dies würde jetzt geschehen, wenn Roberto sich nicht rasch etwas einfallen ließ. Was er am dringendsten gebraucht hätte, wäre das weiße und goldene Banner des Sieges auf dem Wachturm in den Gawbergen gewesen.
Auf der linken Seite wurde diese Schlacht entschieden. Er konnte nicht noch mehr Infanterie aus seiner ausgedünnten, erschöpften Hauptlinie abziehen. Davarov würde noch den ganzen Tag kämpfen, aber selbst er brauchte ein wenig Ermutigung. Roberto nagte an der Unterlippe und schätzte die Entfernung zum Wall ein, den er befreien wollte. Es wäre gefährlich, aber er glaubte, es versuchen zu müssen. So trieb er sein Pferd an und ritt zu Neristus und den Geschützen. Unterwegs behielt er das Leuchtfeuer im Auge und wünschte sich, endlich das Banner zu sehen. »Komm schon, Paul, enttäusche mich nicht.«
Der Kapitän der Falkenpfeil stieß die Ruderpinne hart herum und lenkte das Schiff quer vor der Welle entlang. Seine ungläubigen Augen drückten aus, was auch Jhered empfand. Er wagte kaum, die dräuende Wand aus Wasser anzusehen, auf der die mächtige Krone waberte. Das schwankende Gebirge konnte jederzeit zusammenbrechen und sie alle unter sich begraben.
Eine Weile hatte es prächtig funktioniert. Alle Schiffe in Sichtweite hatten gewendet, um zu fliehen, und die Mannschaft ihres Schiffs hatte die eigenen Ängste mit Schmähungen überspielt. Er konnte sich gut vorstellen, wie verwirrt und entsetzt die Menschen waren. Tausende abergläubische Seeleute hatten beobachten können, wie sich eine Wand aus Wasser aus dem Meer erhoben und ihnen den Zugang zum Hafen von Estorr versperrt hatte. Gott möge ihn umarmen, auch er selbst wäre am liebsten weggerannt.
Im Süden hatten sich die Ocetanas weiter genähert und griffen die Schiffe an, die geflohen waren und ihnen mehr oder weniger direkt entgegenkamen. Viele aber blieben unbehelligt, und die tapfersten machten sogar schon wieder kehrt, um sich die Sache genauer anzusehen. Zuerst waren es nur fünf gewesen, deren Kapitäne offenbar begriffen hatten, dass die Falkenpfeil etwas mit der Erscheinung zu tun hatte. Sie zu versenken, würde auch das Problem lösen.
Der Kapitän manövrierte geschickt genug, um ihnen zu entgehen, doch jetzt kamen zwanzig weitere in ihre Richtung, und noch mehr machten Anstalten, ihnen zu folgen. Die Ocetanas hatten nicht genügend Schiffe, um Jhered zu unterstützen.
»Wir müssen weiter hinaus«, sagte der Kapitän. »Sonst bleiben wir an dieser verdammten Wand hängen.«
»Nein.« Ossacers Kopf erschien in der Achterluke. »Ihr könnt nicht fort. Seht ihn nur an, er hat jetzt schon Mühe. Mirron zittert, ich erkenne es in ihren Energien. Ihr müsst Euch vorstellen, dass er zwei Seile hält, die in unterschiedliche Richtungen ziehen. Wenn Ihr wegfahrt, verstärkt sich der Zug, bis er die Wand nicht mehr halten kann. Dann bricht sie einfach zusammen.«
»Runter!«, rief der Kapitän.
Jhered duckte sich instinktiv. Der Bolzen einer Balliste brach durch die Steuerbordreling. Sofort richtete er sich wieder auf. Eine tsardonische Trireme hielt direkt auf ihr Heck zu.
»Dreißig Schlag«, rief der Kapitän.
Er stemmte sich energisch gegen das Ruder, und die Trireme glitt knapp an ihnen vorbei. Pfeile sausten herüber. Jhered warf sich schützend über Ossacer.
»Was sollen wir jetzt tun?«, fragte er, während er sich abrollte.
Ossacer schaute zu ihm auf. Dabei fühlte Jhered sich jedes Mal unbehaglich. Diese Augen, die alles und nichts sahen.
»Wie viele Schiffe jagen uns, wie viele kommen von Osten, und wie nahe sind sie?«
Jhered spähte über die Reling. Überall waren jetzt tsardonische Schiffe, und alle fuhren in ihre Richtung. Er zählte zwanzig im inneren Kreis, weitere zehn in der Nähe, dahinter noch einmal dreißig oder vierzig, die bald eintreffen würden. Er berichtete Ossacer.
Der Junge nickte und stand auf. Dabei blieb sein Gesicht stets Jhered zugewandt, und es schien, als regte sich dort eine Mischung aus Trauer und Bedauern, die Jhered einen Stich versetzte.
»Wir müssen die Energie der Mauer nutzen«,
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