Die kleinen Freuden des Lebens
Bundesliga
1963 korrekt aufzusagen. Der Dritte hatte bis zur A-Jugend bei Bayern München gespielt, der Vierte war eng mit dem damaligen Nationalspieler Marco Bode befreundet, und der Fünfte –
ich – verblüffte die anderen mit Details obskurer europäischer Vereine. Schön, wenn man weiß, dass Skonto Riga 1 4-mal in Folge Landesmeister war, BFC Dynamo Berlin 1 0-mal , Dynamo Kiew 9-mal . Außerdem eignete ich mir eine Menge nutzlosen Wissens über den einstigen DD R-Fußball an. Welches Land bot schon einen ehemaligen Europapokalsieger, der mittlerweile nur noch in der Regionalliga Nord spielte?
(Es handelt sich um den FC Magdeburg, Europapokalsieger der Pokalsieger 1974, bis heute der einzige Verein, der einen Europapokal
ausschließlich mit Spielern aus der unmittelbaren Region – Magdeburg und Umland – gewann.)
Zur Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich veranstalteten wir ein großangelegtes Tippspiel, das mit einem komplizierten Punktesystem
aufwartete und natürlich so angelegt war, dass nur absolute Experten – also wir – eine Chance haben würden, zu gewinnen.
Ohne hier auf die schmerzlichen Einzelheiten einzugehen: Von den dreißig Teilnehmern gewann eine (!) Praktikantin (!) namens
Julia, während wir fünf uns unter den letzten sieben wiederfanden. Die Gewinnerin, die sowohl von ihrer hierarchischen Stellung
innerhalb der Redaktion als auch von ihrer Geschlechtszugehörigkeit doch eigentlich gar nicht so weit oben hätte stehen dürfen,
war 21 Jahre alt, und als wir kommen sahen, dass Julia Spieltag um Spieltag immer mehr Punkte akkumulierte (es gab einen für die
richtige Tendenz – Sieg, Remis, Niederlage – und drei für das richtige Ergebnis, und Julia tippte alle drei deutschen Vorrundenspiele
aufs Tor genau richtig
), quetschten wir sie aus. Spielte sie selbst Fußball? Nö. Hatte sie einen Fußballer als Freund oder hatte sie eine Affäre
mit Franz Beckenbauer? (In München gab es eine Zeit, da war diese Frage durchaus legitim.) Ebenfalls nein. Sie hatte sich
nicht einmal auf die »weibliche Intuition« verlassen, wie wir ihr sofort unterstellten, sondern einfach irgendwie so getippt,
dass – halten Sie sich fest – »die Zahlen auf dem Zettel schön aussahen«. Das versetzte uns einen Schlag.
Wir müssen wohl akzeptieren: Fußballwetten sind reine Glückssache. Dazu passt, dass meine zweite Heimat Italien praktisch
nur aus Fußballexperten besteht, aber das italienische Fußballtoto stets von runzligen Urgroßmütterngewonnen wird, die einfach nach Gefühl und Glück von oben nach unten ankreuzen.
Bei der nächsten Weltmeisterschaft im Jahr 2002 wusste ich es besser: Ich tippte nicht, sondern malte gewissermaßen den Wettschein
aus. Zudem tippte ich aus Jux die beiden Gastgeber Südkorea und Japan ins Halbfinale, was mir viel Spott einbrachte, aber
letztlich wegen Südkorea, dessen Mannschaft es mit Hilfe dreist pfeifender Schiedsrichter tatsächlich bis unter die letzten
vier schaffte, eine Menge Punkte. Gewonnen habe ich nichts. Aber ich war der Erste in unserer internen Fußballkumpels-Sonderwertung,
in der wir »Experten« uns untereinander maßen, und dieser Erfolg reichte immerhin für einen klitzekleinen Jubeltanz.
Nachtrag: Bei der WM 2006 tippte ich Italien als Sieger, trotz des mächtigen Skandals. Ich wusste, dass die Spieler nur eine
einzige Chance hatten, ihre Ehre zu retten: die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Aber das war ja danach schon vorher jedem Experten
klar gewesen.
»Sie können auch zu mir kommen, ich mache die Kasse jetzt auf.«
I st
mir gerade heute passiert. Es war ein harter Freitag. Und das war der beste Satz des Tages.
Wassereis
I n den letzten Jahren hat uns allerlei Upgrading den Spaß an den Dingen verdorben. Versuchen Sie doch mal, an einer Tankstelle
ein Leberwurstbrötchen zu finden. Nein, da tummeln sich Tramezzini mit Tunfischpaste, Senf, Zwiebeln und Essiggurken. Oder
Brötchen, die neben einer Scheibe Salami auch noch ein Salatblatt, eine Gurken- und eine Tomatenscheibe sowie eine Art Remoulade
aus Zwiebelgehäckseltem offerieren. Nur an österreichischen Autobahnraststätten, Gott sei’s gedankt, besteht eine Schnitzelsemmel
aus ebenjenem: einem Schnitzel und einer Semmel. Doch ansonsten: Berge von Belägen, Saucen, Gemüse, gequirltem Zeug. Ich weiß
nicht, wie Sie das sehen, aber mir ist das zu
sophisticated
.
Das Wassereis ist das Leberwurstbrötchen des Sommers. Und hat
Weitere Kostenlose Bücher