Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Klimaforscher und einem Ethnologen über die Entwicklungder Klimawissenschaften in den letzten Jahrzehnten, vom Nachweis des menschlichen Einflusses auf das Klima bis hin zu einer Wissenschaft, die sich im Zentrum des politischen Geschehens wiederfindet. Wir verfolgen, wie der Klimadiskurs neue Formen der Kommunikation und Öffentlichkeit hervorbringt, wie er Konsequenzen in der Politik, Ökonomie und im Alltag zeitigt und den Wissenschaftsbetrieb und die Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft verändert.
Wir erzählen diese Geschichte immer als eine, die von bestimmten Ereignissen und Personen vorangetrieben wird; nicht von der Wissenschaft, sondern von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Die direkte Ableitung und Begründung von Politik aus „der Wissenschaft“ ist gefährlich. Der Weg in die Klimafalle führt über einen Ansatz, der in Fortführung des klassischen Klimadeterminismus (siehe Kapitel 7) das Klima als außerhalb der Gesellschaft stehend und als eine die Politik und die Kultur bestimmende Größe versteht. Mit unserem Buch wollen wir hingegen zeigen, dass die Geschichte von Klimaforschung und Politik auch ganz anders erzählt werden kann. Dies bringt den Klimawandel nicht zum Verschwinden, eröffnet aber alternative Handlungsoptionen.
2. Wie alles anfing
In der Klimadebatte wird zumeist mit Fakten argumentiert, die für sich selbst stehen, als ob sie keine Geschichte hätten. Wir haben uns angewöhnt, die wissenschaftliche Herleitung des Wissens über den Klimawandel unsichtbar zu machen. Damit wird dieses Wissen verabsolutiert und alternativlos. Auch der Zeitgeist, in dem dieses Wissen produziert wurde und das Licht der Öffentlichkeit erblickte, verschwindet rasch aus unserem Blick. Nur so ist zu erklären, dass in den hitzigen Debatten oft völlig unterschiedliche und sogar gegensätzliche Auffassungen über den Klimawandel mit Verweis auf „die Wissenschaft“ begründet werden. Warner wie Skeptiker berufen sich auf eine angeblich zeitlose Wissenschaft und erwarten, dass diese als objektive Schiedsrichterin die Debatte – natürlich zu den jeweils eigenen Gunsten – entscheidet. Die Wissenschaft wiederum fühlt sich von dieser Rolle oft genug geschmeichelt, und so landen alle gemeinsam schließlich in der Klimafalle, in der wir uns heute befinden.
In diesem Kapitel gehen wir zum Anfang der modernen Klimaforschung zurück, als Hans von Storch noch am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg als Klimaforscher tätig war, und zeigen, wie sich die Perspektive der Wissenschaft auf den Klimawandel bis heute entwickelt und verändert hat. Wir vollziehen am Beispiel der prägenden Phase dieses Instituts anekdotisch nach, wie der anthropogene Klimawandel in umweltbewegter Zeit zu einem zentralen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Thema und die Klimaforschung zu einer Leitwissenschaft wurden. Uns geht es dabei weniger um eine detailgetreue wissenschaftliche Studieder Geschichte des Max-Planck-Instituts oder der Klimaforschung insgesamt, sondern wir wollen zeigen, wie Wissenschaft und Gesellschaft in diesem Zeitraum gemeinsam eine (apokalyptische) Erzählung vom Klimawandel hervorgebracht haben, die auch anders hätte verlaufen können. Erst dadurch eröffnet sich der Blick auf Forschungslücken und Defizite der derzeitigen Klimaforschung und Wissenspolitik.
Die wissenschaftliche Unschuld
Die Geschichte der aktuellen Klimaforschung zum anthropogenen Klimawandel speist sich aus unterschiedlichen Quellen. Ihr Beginn kann auf die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts datiert werden. Unser Fokus richtet sich hier auf die Entwicklung in Deutschland. Nach einer mehr empirisch beschreibenden Phase entschied die oft als Elitenschmiede der deutschen Wissenschaft deklarierte Max-Planck-Gesellschaft im Jahr 1975 unter ihrem damaligen Präsidenten Reimar Lüst, 3 ein Institut zu gründen, das sich dem Klima bzw. dem schon damals erwarteten menschengemachten Klimawandel widmen sollte. Klima, 4 das war hier vollständig naturwissenschaftlich, genauer: geophysikalisch gemeint. Die Methoden sollten insbesondere auch dynamische Modelle 5 umfassen. Klaus Hasselmann 6 wurde erster Direktor des neuen MPI in Hamburg. Er sollte die deutsche Klimaforschung für die nächsten fünfundzwanzig Jahre gestalten.
Klaus Hasselmann begann seine Arbeit mit einem intellektuellen Paukenschlag durch eine im Nachhinein kaum mehr überraschende, sondern höchst naheliegende Einsicht, die aber gar nicht den
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