Die Klimaprioritaeten
nachholende Modernisierung keine Absolution für eine klimagefährdende Zukunft erteilt. Ein Abkommen, das die nächsten 20 Jahre Bestand und annähernd Erfolg haben soll, muss die aktuell und zukünftig größten Verursacher von Treibhausgasen einbinden. Sonst bleibt es wirkungslos.
Bei allem Verständnis für die Haltung armer Länder, es ist fraglich, wie lange zum Beispiel Indiens Position, ausschließlich Opfer des Klimawandels zu sein, noch aufrechtzuerhalten ist. In Indien leben die meisten Milliardäre Asiens. Mukesh Ambani, Indiens »Mr Big«, Chef von Reliance Industries, dem größten Industriekonglomerat des Landes, nimmt Platz 14 auf der Liste der reichsten Männer der Welt ein. Er baut sich gerade in Mumbai ein neues Zuhause. 180 Meter hoch, 60 Stockwerke, ein Glasturm mit einem ungestörten Blick über die Arabische |186| See, Kosten rund 500 Millionen US-Dollar. Es wird einen Landeplatz für Helikopter geben, einen Parkplatz für 168 Luxuslimousinen. Der Palast wird kein Öko-Knüller und Vorbild
energieeffizienten
Wohnens.
Energieeffizienz sei für die Reichen und die rasant wachsende indische Mittelschicht immer noch ein Fremdwort, meint Praful Bidwai, Journalist und politischer Aktivist aus Neu Delhi, und einer der wenigen, der Indiens
Verweigerungshaltung
beim internationalen Klimaschutz zu Hause kritisiert. Die Mittelschicht in Indien werde sich in 25 Jahren verzehnfachen. Trotzdem werden dann immer noch 600 Millionen Menschen ohne Strom sein. Soll das Land deshalb weiter die Opferkarte in den Klimaverhandlungen spielen dürfen und keine
Emissionsbegrenzungen
akzeptieren, da die Pro-Kopf-Emissionen
insgesamt gering sind? »Indien versteckt sich zu sehr hinter seinen Armen«, sagt Praful Bidwai.
China tritt auf der Verhandlungsbühne weniger konfrontativ auf und erklärt, es wolle an einem Post-Kyoto-Abkommen mitwirken. Peking pocht jedoch auf einen umfangreichen Technologietransfer und meint damit nicht zuletzt sauberere Kohle. Nur dann ist die Regierung wahrscheinlich bereit, sich auf nationale Emissionsziele einzulassen. Kohle spielt bislang keine ausdrückliche Rolle in den Klimaverhandlungen, ist aber ein Thema, das wegen seines Gewichts immer mitschwingt.
Der Umgang mit aufstrebenden Industrienationen wie Indien und China beim Klimaschutz wirft allerdings die Frage auf, inwieweit die Unterscheidung zwischen
Entwicklungsländern
und Industrieländern im Hinblick auf global operierende Branchen wie Stahl, Automobil oder Zement noch Sinn macht. Sollen Industriestaaten solche Branchen in
Schwellenländern
mittels internationaler Klimaabkommen weiter subventionieren, damit diese ihre Emissionen senken? Wie |187| gerecht sind Abkommen, die Emissionen auf Länderebene kalkulieren, in Zeiten »flüchtigen Kapitals«? Die Grenzen zwischen Entwicklungs- und Industrieländern lösen sich in all den Wirtschaftszweigen, die nicht lokal und regional verankert sind, immer mehr auf. Chinesische Ölfirmen kaufen sich in Texas ein. Die indische Stahlfirma Mittal beteiligt sich mit knapp 50 Prozent am luxemburgischen Unternehmen Arcelor und schafft den weltgrößten Stahlkonzern, der in 60 Ländern produziert. Unternehmen aus Asien, Europa und Lateinamerika schließen sich zusammen, kaufen, verkaufen und verlagern ihre Fabriken. Heute Rumänien, morgen China, übermorgen Vietnam. Globalisierung führt den Nationalstaat als Messbecher für Emissionen zunehmend ad absurdum. Die Frage, wem Treibhausgasemissionen denn nun eigentlich zuzuordnen sind, wird angesichts von »Global Players« immer schwieriger zu beantworten. Ein Ausweg könnte irgendwann sein, weltweite sektorspezifische statt länderbezogene Emissionsziele zu vereinbaren. Aber davon sind wir noch weit entfernt.
Gute Chancen, in einem neuen Klimaschutzabkommen verankert zu werden, hat der Kompensationsmechanismus für vermiedene Entwaldung in tropischen Ländern.
Verhandlungsteilnehmer
rechnen in Kopenhagen 2009 mit einer Einigung, auch wenn sich die Europäische Union bocksbeinig stellt. Unklar ist, wie effektiv die ausgehandelte Vereinbarung am Ende sein wird. Sollte die Verantwortung bei den jeweiligen Tropenländern, deren überforderten Zentralregierungen und nicht bei Kommunen und Unternehmen liegen, und Wälder »renationalisiert« werden, fürchten Kritiker, das Instrument werde stumpf bleiben. Deshalb ist es notwendig, weiterhin bekannte erfolgversprechende Wege auszubauen wie Zertifizierungen und Gütesiegel, und neue Wege
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