Die Klimaprioritaeten
CO2-Konten?«, fragt er.
Ist dies Science Fiction, oder rennen wir bald alle mit einem Plastikchip in unserer Brieftasche herum, der jedes klimarelevante Tun aufzeichnet und mit unserem Emissionskonto abgleicht und laut piept, wenn wir im Minus sind? Gibt es dann CO2-Tauschbörsen im Internet, und kann man auf dem Biowochenmarkt neben der Gurke auch noch rasch ein paar Kilogramm Kohlendioxid erwerben? Sind vor dem CO2 alle Bürger gleich, der Millionär und Hartz-IV-Empfänger? Und können Nicht-Reiche so viele Rechte dazukaufen, wie sie brauchen?
Bis solch Szenario Realität wird, dürfte noch einige Zeit vergehen, wenn überhaupt. Das Hauen und Stechen auf den
UN-Klimakonferenzen
um verbindliche Einsparziele für Treibhausgase und den internationalen Emissionshandel lässt vermuten, dass so eine Idee nur schwer Anhänger finden wird. Zudem setzt sie voraus, dass man für alle Produkte und Handlungen den Klimaeffekt kennt. Und für Freunde von Datenschutz, Privatsphäre und Freiheitsrechten ist diese Vorstellung wahrscheinlich ein Horror. Es würde der ohnehin schon sehr gläserne Mensch noch gläserner werden, denn jeder Kauf muss überprüft, jeder Energieverbrauch, jede Reise und jeder Saunabesuch registriert und abgeglichen werden mit dem persönlichen CO2-Konto. Bei so viel Überwachung würden selbst verzichtspredigende Grüne auf die Palme gehen. Für Hillman sind solche Einwände nebensächlich. Wer die Erde retten will, muss auf Konsum und Freiheit verzichten.
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Der Gedanke, dass Volkswirtschaften für den Klimaschutz |179| stagnieren oder gar schrumpfen sollen, dass Klimawandel Entwicklung bremst und Wohlstand verringert, bereitet Ökonomen Unbehagen.
Welche Gefahren dies mit sich bringen könnte, hat unlängst Kolumnist Martin Wolf in der Financial Times beschrieben. »Das Versprechen der modernen Gesellschaft, dass es allen besser gehen kann, dass Wohlstand und Einkommen steigen, steht auf dem Spiel.« Grenzen für Emissionen bedeuten Grenzen für Wachstum.
Die Einkommen der Menschen sind seit 1820 weltweit im Durchschnitt um das Zehnfache pro Kopf gestiegen, rechnet der Wirtschaftshistoriker Angus Maddison vor. Seit jener Zeit der beginnenden Industrialisierung, als die Menschheit anfing, kräftig Treibhausgase in die Atmosphäre zu blasen. Es gibt große Disparitäten. In den USA stiegen die Einkommen um das 23-fache, in Afrika nur um das vierfache, aber immerhin, sie stiegen.
In einer Welt, in welcher der allgemeine Lebensstandard aufgrund gedrosselter Wirtschaftskraft stagniert, in der Güter und Ressourcen knapper werden, werden Konflikte und
Verteilungskämpfe
wahrscheinlicher. Klimawandel hat somit eine enorme geopolitische Bedeutung und Sprengkraft.
Die Optimisten sagen, ungehemmtes Wirtschaftswachstum, Massenkonsum, Energieverbrauch und Klimawandel können entkoppelt werden. Pessimisten wie Mayer Hillman bestreiten dies. Es muss also darum gehen, die Hoffnung auf Wohlstand, Freiheit und Frieden zu erhalten und gleichzeitig die Erde vor ökologischer Zerstörung zu bewahren. Diesen Spagat muss auch ein neues internationales Klimaabkommen leisten, dass dem Kyoto-Protokoll folgen soll.
Die Grenzen unseres Wirtschaftens sind offensichtlich. Die Globalisierung hilft bei dieser Erkenntnis. Sie macht erlebbar, |180| dass alles mit allem zusammenhängt. Unser Plastikmüll wabert als bunter Teppich durch den Pazifik und landet irgendwann an den Stränden von Südsee-Atollen, an denen sich blasse Australier vom Stress der Moderne erholen wollen. Dies kann nicht mehr versteckt werden, denn irgendein Teenager filmt es mit seinem Mobiltelefon und stellt den Clip auf YouTube. Und der amerikanisch-europäische Autowahn soll mit Biodiesel zukunftsfähig gemacht werden, der stattdessen Brot- und Butterpreise in die Höhe treibt.
Die Verschmutzungs-, Ressourcen- und
Entsorgungskapazitäten
sind endlich. In armen und reichen Staaten. In China sterben die Menschen an Smog, in Europa sind die Straßen dauerverstopft, Öl und Wasser werden für alle knapp.
Das westliche Wirtschaftsmodell – basierend auf fossilen Brennstoffen, Autos für alle und einer
Wegwerfgesellschaft
– wird in China und Indien nicht funktionieren, prophezeit Lester R. Brown, Präsident des Earth Policy Institute in Washington in seinem Buch Plan B 2.0. Mobilmachung zur Rettung der Zivilisation . Wenn alle Welt so
ressourcenverschwenderisch
leben würde wie Europa, bräuchten wir drei Welten, schreibt selbst ein
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