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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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es nicht, unverrichteter Dinge zurückzukehren.«

    Ich hatte das Lämmchen mit der Flasche aufgezogen und auf meinem Schoß gewiegt. Nun stand ich mit dem Henkersbeil im Schafsstall vor ihm, und es blökte mich an. Es war schneeweiß, zutraulich und schleckte mir mit seiner rauen Zunge die Füße ab. Ich bückte mich, legte die Axt weg, hob es hoch und drückte mein Gesicht in das weiche Fell. Ich wusste, dass Äbtissin Matilda mit strenger Hand regierte, doch eine solche Boshaftigkeit war mir neu. Es hatte ihr Freude bereitet, mir diesen grausamen Befehl zu erteilen. Ich stand da, schaukelte das Schäfchen auf den Armen und überlegte. Da fiel mir ein Sinnspruch ein, den Schwester Beitriris im Lateinunterricht gelehrt hatte:
Fortes fortuna adiuvat.
Den Mutigen hilft das Glück. Was war mutiger? Das Lamm zu töten – oder es nicht zu tun?
    Sanft setzte ich das Schäfchen ab. Mein Entschluss stand fest. Ich führte es zu dem Schemel, der in der Ecke stand, und legte seinen Kopf darauf. Es hielt still, drehte nur das Köpfchen ein wenig und sah mich mit jenem Urvertrauen an, das man dem vorbehält, der einen nährt. Ich nahm das Beil, das im Stroh lag. So fest ich konnte, schlug ich zu.

    William der Dritte, Bischof von Orkney, kam am Abend mit der Flut. Sein Schiff war zu groß für unseren kleinen Hafen und musste draußen vor den Klippen ankern. Er selbst stieg mit fünf anderen Männern in ein Boot und ließ sich herüber zur Insel rudern. Zwei seiner Begleiter trugen ihn ans Ufer, damit sein Prunkgewand nicht nass wurde. Als der Bischof trockenen Boden unter den Füßen hatte, wateten sie zurück, hoben mit übergroßer Vorsicht eine sargähnliche Kiste aus dem Nachen und trugen sie ebenfalls an Land.
    William von Orkneys linke Schulter war verwachsen, als hocke ein Teufel darauf, doch er schritt mit jenem Gang dahin, der kleinen Männern zu eigen ist. Den Kopf unter der goldbestickten Mitra hoch erhoben, den Krummstab, der ihn überragte, bei jedem Schritt hart aufsetzend, stolzierte er, flankiert von einem Prälaten und einem Sekretär, den Pfad entlang, der zur Klosterpforte führte. Hinter ihm ging ein schwarzgewandeter Priester, er sah aus wie eine Krähe. Die anderen beiden Männer schleppten die Kiste hinterher.
    Als der Trupp durch das geöffnete Tor den Klosterhof erreichte, war von den Verwüstungen, die der Sturm angerichtet hatte, nichts mehr zu sehen. Die Abtei glänzte in der Abendsonne wie ein polierter Apfel. In der Mitte des Hofs bogen sich die Bretter der Festtafel unter den aufgetischten Speisen. Mein Lämmchen drehte sich am Spieß, Bratenduft stieg auf.
    Doch Bischof William stand der Sinn zunächst nicht nach Essen. Ungeduldig mit seinem edelsteinbesetzten Schuhwerk wippend, ließ er die ebenso wortreiche wie unterwürfige Begrüßung der Äbtissin über sich ergehen und auch das zwölfmalige Küssen seines Rubinrings an der gnädig ausgestreckten Hand durch die ehrwürdigen Schwestern. Sein Gesicht war eine eigenartige Mischung aus einerseits wettergegerbter Härte, ohne die ein Inselbewohner die Stürme und die Kälte der Eilande nur schwerlich überlebt, andererseits hatten die Vorzüge und Ausschweifungen des Bischofslebens seine Wangen weich und schlaff werden lassen, und die verächtlich herabgezogenen Mundwinkel wirkten beinahe weibisch. Doch sein Charakter war wenig weiblich. Er war bekannt für seinen unbeugsamen Starrsinn, der schon wegen seiner verwachsenen Gestalt an eines jener verkrüppelten Bäumchen erinnerte, die sich in die Spalten der Klippen duckten. Welcher andere Bischof hätte es gewagt, dem Papst über Jahre hinweg den Peterspfennig zu verweigern?
    Endlich war das Zeremoniell vorüber, und die meergrauen Augen wanderten von der mitgebrachten Holzkiste zur Klosterkapelle. Ungewöhnlich tief für einen Mann von so kleinem Wuchs klang seine Stimme: »Die Schwestern im Herrn mögen mich in die Kapelle begleiten.« Er wies auf den mitgebrachten Sarg. »Ein Geschenk für die Abtei des Ordo Benedicti. Ich werde eine heilige Messe lesen zu Ehren der Reliquie des Sankt Donnan von Eigg, der als Märtyrer im Feuer starb.«
    »Aber das Lamm …«, begann die Äbtissin, doch William wischte den Einwand mit einer Handbewegung beiseite.
    »Wie kann er in der Kiste liegen, wenn er verbrannt wurde?«, hörte ich eine Schwester der anderen zuflüstern. Auch die Antwort verstand ich:
    »Weißt du nicht, dass die Gebeine von Hingerichteten vom niederen Volk aufgelesen werden, sobald die

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