Die Köchin und der Kardinal
draußen nicht verstummt, nahmen sogar an Heftigkeit zu.
Von den unteren Räumen her hörte Elisabeth ein Poltern, das Krachen von Töpfen und das Splittern zerbrechenden Geschirrs. Das Geräusch von genagelten Stiefeln polterte die Stiege herauf.
»Vater unser, der du bist im Himmel«, betete Elisabeth lautlos in sich hinein. Ihr Hustenreiz wurde stärker. Sie räuspertesich, krampfte ihre Hände ineinander. Hoffentlich hörten es die Männer nicht. Etwas Hartes drückte an Elisabeths Schenkel. Mein Gott, was war denn das? Ihr fiel ein, dass sie vergessen hatte, ihrer Mutter nach einem morgendlichen Einkauf den Geldbeutel zurückzugeben. Sollte sie aus dem Schrank herauskommen und den Söldnern die Goldgulden und Kreuzer anbieten? Aber würden sie deswegen sie und ihre Familie verschonen? Agnes neben ihr zitterte so sehr, dass Elisabeth fürchtete, das Klappern ihrer Zähne könnte sie verraten. Das Geräusch der Stiefel kam näher, es waren viele Stiefel. Die Söldner unterhielten sich laut in einer fremden Sprache, liefen mit ihren Fackeln hin und her, schlugen mit den Schwertern auf Kisten und Truhen. Elisabeth presste sich die Faust vor den Mund, um nicht aufzuschreien. Sie drückte Agnes noch fester an sich, damit ihre Zähne aufhörten zu klappern. Flüche wurden laut, es schepperte und rasselte, dass Elisabeth fürchtete, die Besinnung zu verlieren. Jetzt schienen sie etwas entdeckt zu haben, vielleicht das Kästchen mit Goldgulden, das ihre Mutter in der hintersten Ecke, bedeckt von Tüchern und alten Töpfen, versteckt hatte. Einen Augenblick lang wurde es still im Raum. Dann brachen die Männer in ein Freudengeheul aus. Der Deckel einer anderen Truhe klappte hoch. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen hörte Elisabeth ihre Mutter sagen: »Verschont uns, um Christi willen, wir haben nicht mehr als dieses Kästchen mit den Goldgulden!« Lukas weinte. Unverständliches Brüllen folgte.
»Wo sind eure Reichtümer?«, fragte einer mit lauter Stimme. Sie wurde übertönt von den Schreien, die vom Marktplatz und aus den Nachbarhäusern zu ihnen drangen.
»Wir haben nichts mehr, erbarmt Euch«, flehte die Mutter. Wo war nur der Vater geblieben?
»Was ist in dem Schrank?«, wollte die dröhnende Stimme wissen.
»Da sind nur alte Kleider und Pelze drin«, sagte die Mutter.Lukas war inzwischen verstummt. Ein klatschender Laut, ein Stöhnen, noch ein Hieb, ein Gurgeln, dann trat Stille ein. Tritte näherten sich dem Schrank, die Tür wurde aufgerissen. Elisabeth war vollkommen starr. Im Schein der Fackel sah sie, unter den Kleidern hindurch, Stulpenstiefel, die mit Dreck und Blut verkrustet waren. Elisabeth hielt den Atem an.
So sah also der Tod aus. Mit seiner Pike stocherte der Söldner in den Kleidern herum, riss einen Pelzrock von der Stange. Elisabeth spürte einen leichten Stich an der Schulter, von den Kleidern gedämpft. Sie nahm all ihre Kraft zusammen, um nicht aufzuschreien. Die alten Röcke, Wämser und Hosen schienen den Söldner jedoch nicht zu gefallen. Die Stiefel entfernten sich. Die Tür zum Dachboden quietschte, offensichtlich kamen weitere Söldner herein. Elisabeth befahl ihr Leben und das ihrer Familie in Gottes Hand.
»Was macht ihr denn da, seid ihr von allen guten Geistern verlassen?«, rief ein Mann.
»Ihr sollt euch holen, was ihr braucht, zu essen und zu trinken und warme Kleidung für den Winter. Wer hat gesagt, dass ihr die Bewohner quälen und töten sollt?«
Elisabeth schreckte zusammen, ihr wurde eiskalt. Dann stimmte es also, dass ihre Mutter und Lukas tot waren.
»Verschwindet und lasst euch hier nicht mehr blicken!«, rief der Mann. Das Getrappel der genagelten Stiefel entfernte sich. Auch draußen war für einen Augenblick Ruhe eingekehrt. Das Kratzen in Elisabeths Hals wurde unerträglich, sie musste husten. Mit einem Satz war der Mann beim Schrank und sagte: »Wer immer in diesem Schrank versteckt ist, komme heraus, ihm wird kein Leid geschehen.«
Elisabeth dehnte ihre steifen Glieder, drehte sich auf den Bauch und kroch aus dem Schrank. Agnes tat es ihr nach. Ihr Gesicht war kreidebleich. Der Mann leuchtete Elisabeth mit seiner Fackel ins Gesicht. Er hatte lange Haare und war mit einem roten, goldverbrämten Musketierrock und Stiefeln bekleidet.Am Gürtel steckten Degen, Pulverbeutel und Zunderbüchse.
»Ihr müsst fort aus der Stadt«, sagte der Mann. »Hier seid Ihr Eures Lebens nicht mehr sicher.«
»Was ist mit meinen Eltern, mit meinem Bruder?«, fragte Elisabeth
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