Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
Vom Netzwerk:
geboten. Am Anfang hast du vielleicht noch keine Gefühle gehabt, aber dann kam so ein Mädchen, hat dich halb ausgezogen und erst einmal seriös massiert und anschließend dann weniger seriös, so in der Leistengegend, am Unterleib, und dich endlos gereizt. Wie sollte sich da nichts regen? Das war eine Absteige, ich habe in einer Absteige die Klos saubergemacht. Korrupte Beamte und das große Geld haben sich da die Klinke in die Hand gegeben, das war ein Umarmen hier und Bussi da, die trugen die Nase so hoch, die gingen richtig auf Zehenspitzen, und ich reichte denen das Klopapier, weiter runter ging es nicht.
    Bei der Studentenbewegung 1989 haben die einfachen Leute die Studenten unterstützt, dagegen waren nur diese verkommenen Subjekte, denn wir haben verlangt, dass die Familienclans von den hohen Beamten der Kommunistischen Partei ihre Schwarzeinkünfte offenlegen und ihre Schwarzkonten; unser Ziel war, dass der Staat wieder gesund wird. Aber heute sind die korrupten Beamten und die Profitmacher zahlreich, die einfachen Leute leben in Not und Elend. In der Gesellschaft geht es drunter und drüber, und ich, als einer der alten Männer, die für die Demokratie in China einen so grausamen Preis bezahlt haben, muss diese Enkelbande auch noch bedienen.
    Das ist sicher nicht einfach, Kunzi.
    Einmal sind zwei von diesen Geldsäcken mit nackten Armen auf meinem Klo erschienen und haben mich auf einmal erkannt, da haben sie geschaut, he, ist das nicht Kamerad Kunzi? Ich bin Xiaohai, wir haben in derselben Straße gewohnt, in der Nacht zum 4 . Juni, da haben wir doch noch zusammen gegen die Panzer gestanden. Ich habe verdammtes Glück gehabt, ich bin wie ein Fisch in der Menge untergetaucht, nachher habe ich alles abgestritten, die hatten ja keine Beweise, eine Selbstkritik in der Einheit, und basta. Und noch später, wie Deng Xiaoping seine Reise durch den Süden gemacht hat, mit Vaterlandsliebe hatte das nichts zu tun, das war vorbei, wir sind alle dem Ruf der Partei gefolgt, wir haben die Arme ausgebreitet und Geld gemacht. Ich bin in der Lebensmittelverarbeitung, ich verkaufe minderwertiges Zeug für gut und tote Schweine als Lebendschweine, ich bin reich. Nur auf den 4 . Juni darf man nicht zu sprechen kommen, nicht an ihre alten Wunden rühren, dann kann man Geld machen, so viel man will. Ach, Kunzi, du bist ganz schön heruntergekommen, nichts mehr von dem imposanten Arm hoch und Parolen gerufen, was? Ja, so kann es gehen, da soll sich mal einer auskennen!

6
    Unter den Zehntausenden von Freiheitskämpfern, die landesweit aus den Gefängnissen kamen, hatte es Kamerad Kunzi nicht am schlechtesten getroffen. Wie Wu Wenjian bemerkte, war er wenigstens einmal verheiratet gewesen und hat vor dem großen Unglück die Süße des Bettes gekostet. Ein anderer mit dem Spitznamen »Kleine Katze« war ihnen mit 22 ins Netz gegangen, hatte, weil er in der Nacht auf den 4 . Juni mit Ziegelstücken geworfen und mehrfach Soldaten am Kopf getroffen hatte, lebenslänglich bekommen und war, als er herauskam, schon 39  Jahre alt.
    Verdammte Scheiße, sagte er, ich bin immer noch Jungfrau! Meine Brüder, die mir ein Willkommensessen gegeben haben, haben dauernd herumgestöhnt, ach, von wegen, jetzt geht der auf die vierzig und ist immer noch Jungfrau, in der heutigen Gesellschaft bist du wirklich ein seltenes Exemplar.
    Hast du masturbiert?
    Ich wusste nicht wie. In den achtziger Jahren waren alle sauber, meine Eltern waren in der Partei, fortschrittliche Arbeiter. Als ob die Kinder von Parteimitgliedern gewichst hätten!
    Aber du hast doch gesessen.
    Unser Vergehen war Patriotismus. Wir durften uns nicht benehmen wie normale Kriminelle und uns ständig am Latz herumfummeln. Einmal an einem Samstagabend, die Gefangenen haben zusammen einen Fernsehfilm gesehen, aus Hongkong, da gab es ein paar freizügige Szenen. Das haben die hinter mir nicht ausgehalten, heimlich die Hose aufgemacht und sind schnaufend an die Arbeit. Und schon spürte ich am Hintern etwas vibrieren, ich langte hin, und die ganze Hand war klebrig. Pfuideibel! Ich habe mich umgedreht und hätte dem Kerl am liebsten eine reingehauen, aber ich habe mich beherrscht. Wir waren politische Gefangene, wir durften uns nicht so gehenlassen.
    Alle Achtung.
    Was heißt da »Alle Achtung«? Wenn man so viele Jahre von der Welt abgeschnitten ist und sich drinnen das da draußen vorstellt, dann aber auf jeden Fall, dass die einfachen Leute da draußen gut zu uns sein werden. Doch

Weitere Kostenlose Bücher