Die Kundschafter
retten können. Ich rechne fest damit, dass wir zu denen gehören, die sich retten können, denn wir haben die größte Erfahrung. Was geschieht dann mit uns, Mythor?«
Mythor ließ die vielen Bilder der Kämpfe, der Schlachten und der Abenteuer an sich vorüberziehen, die er hinter sich gebracht hatte, seit Churkuuhl jenes fürchterliche Ende genommen hatte.
»Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich kann es mir nicht einmal in groben Umrissen vorstellen. Ich weiß nur, dass ich unablässig weiterhin versuchen werde, meine Aufgaben zu erfüllen und zunächst das Orakel von Theran zu finden.«
Dass er noch immer trotz der sinnenbetörenden Gegenwart Burunas an Fronja dachte, an die bezaubernde Frau, deren Bild er unter dem Wams auf dem zusammengefalteten Pergament bei sich trug, sagte er nicht.
Buruna flüsterte: »Jemand wie ihr kann das Schwert gebrauchen und kann sich durchschlagen. Aber was wird aus mir?«
Unter dem Mantel schlug Lamir einige wohlklingende Akkorde und sagte stockend: »Niemand kann dir auf diese Frage eine Antwort geben, Schwester.«
»Ich ahnte es, Bruder«, sagte sie, schwach spottend. »Ich weiß, dass es so ist.«
Abermals eine Weile später hatten sie nasse Weiden überquert, waren entlang einer unregelmäßigen Reihe von Bäumen einem unsichtbaren Pfad durch das beginnende Moorgebiet gefolgt, hatten mehrere kleine Waldinseln durchquert und befanden sich jetzt auf einer weiten, leicht hügeligen Lichtung.
Gapolo sagte: »Keine Frage kann jetzt wirklich beantwortet werden. Alles ist unsicher. Alles ist offen. Eines hingegen erscheint mir sicher: Es wird ein großes Sterben geben. Welch ein grauenvoller Ausblick.«
Mythor gähnte, schüttelte sich und entgegnete: »Wahrscheinlich hast du recht, Gapolo. Trotzdem sollten wir hier nicht Wurzeln schlagen.«
Sie setzten ihre Wanderung fort. Das Land blieb einsam und leer. Nirgendwo war ein Licht oder ein Feuer zu sehen. Nur das Schwert Alton leuchtete in Mythors Hand.
*
Auf seinen zerschundenen Lippen spürte er feuchte, bitter schmeckende Erde. Jeder Nerv und jeder Muskel seines Körpers schmerzte. In seinem Nacken fühlte er warm das Blut aus einer Kopfwunde. In seinem Schädel dröhnte es; jeder Herzschlag ließ eine neue, stechende Schmerzwelle über ihm zusammenschlagen. Er öffnete die Augen und sah nichts. Dunkelheit. Die Stille tat ihm wohl, aber er spürte, wie er hungerte, dass der Durst ihn halb umbrachte und dass er Glück hatte, noch am Leben zu sein. »Verfluchte Caer«, stöhnte er, zog die Hände und die Unterarme unter dem Körper hervor und versuchte, sich aufzustützen. Dreimal glitt er im weichen Erdreich ab, dann erhob er sich auf die Knie und die Hände. Er schüttelte den Kopf und blinzelte. Dann sah er weit vor sich verschwimmende, schaukelnde Lichtpunkte.
Anid Levere versuchte sich zu erinnern. Da war ein grässlicher Schrei gewesen. Dann entsann er sich eines Caer-Soldaten, der ihm eine Axt auf den Schädel geschmettert hatte. Stöhnend richtete er seine Augen auf die Lichter und versuchte sie zu fixieren, aber sie schwankten und taumelten noch immer.
Eine zweite Erinnerung. Er glaubte gehört zu haben, dass eine Stimme gesagt hatte: »Die gelbe Pest ist eigentlich keine tödliche Krankheit.«
Er stemmte sich auf die Knie hoch. Jetzt schwankten die Lichter etwas weniger. Er sah genauer hin.
Wieder kam ein Schwung Erinnerungen zurück. Dort drüben waren Menschen. Sie arbeiteten. Inzwischen hörte er außer dem Rauschen und Dröhnen auch dünne Stimmen. Kommandos ertönten, Holz knirschte, und Metall schlug klirrend grell auf Stein.
Anid versuchte zu zählen. Er kam bis zweiundzwanzig. Zweiundzwanzig hohe, schlanke Steine waren in gleichmäßigem Abstand in den Boden gerammt worden. Gerade errichteten undeutliche Gestalten einen dreiundzwanzigsten Stein. Er kam auf die Beine und erkannte, dass er richtig beobachtet hatte.
Und er erkannte, dass er völlig allein war. Mythor war verschwunden, die Bußgänger hatte ebenfalls die Nacht verschluckt.
Er setzte einen Fuß vor den anderen und schwankte in irgendeine Richtung davon. Anid war völlig ratlos. Er wusste nicht, wo er war. Irgendwo westlich der Yarl-Linie, das war einigermaßen klar. Er wusste noch nicht, wohin er gehen sollte, was er tun konnte. er wusste gar nichts.
Beim zweiten Schrei des riesigen Tieres sprang Vercin auf, klammerte sich an der Tischplatte fest und stieß hervor: »Das Große Schaurige Horn, Lorana!«
Zwischen dem
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