Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kundschafter

Die Kundschafter

Titel: Die Kundschafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
entgegen. Ihre Rücken waren dem Feuer zugewandt. Die Kundschafter konnten die Gesichter ebenso wenig sehen wie die Soldaten die Waffen und die Gesichter der Bußgänger.
    »Wer seid ihr?« fragte eine barsche Stimme. Der vierte Mann stand voll im Licht des Feuers, über dem sich tatsächlich ein Braten gedreht hatte. Die Flammen ließen ein bärtiges Antlitz erkennen.
    »Wir kommen von der vernichteten Stadt Ugalos, zwischen deren Mauern die gelbe Pest gewütet hat!« röchelte Mythor und machte, während er sich die Stricke um die Schultern schlagen ließ, wirkungsvolle Pausen der Erschöpfung zwischen den Worten.
    »Wir sind von der Pest befallen. Gebt uns Platz an eurem Feuer, Caer! Seid barmherzig!« wimmerte Lamir und hörte auf, die Saiten zu zupfen.
    »Oder sollen wir euch berühren und anstecken?« fragte Gapolo stöhnend und schüttelte sich unwillig, als Buruna seine Schultern verfehlte und das Ende der Peitsche seine Oberarme traf.
    »Kommt näher!« forderte einer der Caer sie auf.
    Sie gehorchten mit schleppenden Schritten. Wohlweislich hielten sie sich im Bereich der Schatten, die von den drei Soldaten geworfen wurden. Schließlich mussten sie stehenbleiben und streckten ihre zitternden Hände mit den Peitschen und Schnüren den Caer entgegen. Die Geste war halb flehend, halb drohend.
    »Rührt uns nicht an. Wir sind todkrank!« warnte Lamir mit zitternder Stimme.
    »Keine Sorge. Wir sind vorsichtig«, antwortete der Caer. Er trat zur Seite und streifte mit der Kampfaxt die Kapuze von Mythors Stirn. Noch bevor der Kundschafter zurückspringen konnte, hatte der daneben stehende Caer einen brennenden Ast aus dem Feuer gerissen und hielt ihn in die Höhe.
    Die Flammen beleuchteten Mythors geschwärztes, schweißnasses, erschöpftes Gesicht. Aber es war frei von den Spuren der Pest.
    »Ich sehe, dass dich die Pest fast umbringt!« sagte er mit einem kurzen Auflachen.
    »Du irrst«, fing Mythor an, aber da hörte er hinter sich Rascheln und das Knarren von Leder.
    Er drehte sich blitzschnell um. Mindestens zwei Dutzend Caer waren lautlos aus dem Hintergrund aufgetaucht und richteten die Waffen auf die überraschten Kundschafter. Mythor und seine Freunde waren vom Feuer ein wenig geblendet und von den vier Caer abgelenkt worden. Die Soldaten traten hinter sie und rissen ihnen die Kapuzen herunter, dann die Mäntel, und deutlich sahen sie zweierlei: Die Bußgänger waren weder von der gelben Pest angesteckt, noch waren sie blutend und wehrlos.
    Ehe sich die Kundschafter wehren konnten, stürzten die Caer von allen Seiten auf sie zu und entwaffneten sie mit geübten Griffen. Den Fremden wurden die Hände auf den Rücken gefesselt.
    »Ihr seid also keine Geißler und Bußgänger. Ihr seht reichlich gesund aus«, sagte der Mann, der jetzt statt des Astes eine brennende Fackel in die Höhe hielt. »Wer seid ihr?«
    »Bußgänger aus Ugalos!« behauptete Gapolo.
    Die Caer stimmten ein rüdes Lachen an. Einer zerrte Buruna in den Bereich des Lichtes zwischen den Mauern und schrie: »Und eine schöne, dralle Bußgängerin! Ich habe derlei noch nie in Ugalien gesehen!«
    »Ihr seid Caer!« Buruna spuckte ins Feuer. »Was wollt ihr hier im Land? Ihr seid in Tainnia.«
    »Richtig. Wir sind hier. Bringt sie in die Scheune!« sagte der Anführer. »Später werden wir sie verhören!«
    Gapolo, auf dessen Brust die schwarze Lilie verräterisch leuchtete, sagte ärgerlich, aber scheinbar ohne Angst: »Bevor ihr uns in die Gefangenschaft führt, könntet ihr uns eigentlich einen Becher Wein geben. Wir sind am Verdursten!«
    Der Caer zerrte ihn zur Seite und knurrte: »Halt's Maul! Gefangene haben bei uns nichts zu sagen.«
    Man brachte sie in die Scheune und stieß sie in der Nähe mehrerer angebundener Pferde in feuchtes Stroh. Ihre Waffen wurden außerhalb des schief in den Angeln hängenden Tores klirrend zu Boden geworfen. Schnell beruhigten sich die Pferde, und die Caer lagerten sich wieder um das Feuer.
    »Sie waren hinter den Häusern versteckt und haben auf uns gewartet«, sagte Gapolo mit deutlicher Wut in der Stimme.
    Mythor zerrte an den Lederriemen um seine Handgelenke.
    Er keuchte: »Sie haben uns kommen sehen und erwartet.«
    »Zweifellos. Wir sind in ihre Falle gestolpert.«
    »Noch leben wir«, murmelte der Sohn des Kometen und fühlte sich ungewöhnlich schlecht. Ihre List war fehlgeschlagen; die Müdigkeit hatte sie zum Leichtsinn verleitet. Jetzt mussten sie versuchen, aus dieser Lage wieder

Weitere Kostenlose Bücher