Die Kunst des Träumens
sich vorstellen kann«, sagte er.
Und an Carol gewandt, fuhr er fort und sagte, daß unser Versuch ein totaler Erfolg, aber auch ein Fiasko gewesen sei. Wir hätten es zwar geschafft, unser Alltagsbewußtsein auf unseren Energiekörper zu übertragen und somit die Reise in all unserer Körperlichkeit anzutreten, aber es sei uns nicht gelungen, dem Einfluss der anorganischen Wesen zu entgehen. Gewöhnliche Träumer, sagte er, erleben dieses ganze Manöver als eine Reihe langsamer Übergänge und müssen ihre Absicht aussprechen, um das Bewußtsein als Element der Umwelt zu nutzen. In unserem Fall waren all diese Schritte unnötig. Aufgrund einer Intervention der anorganischen Wesen seien wir beide tatsächlich, und mit beängstigender Geschwindigkeit, in eine tödlich gefährliche Welt geschleudert worden. »Was eure Reise ermöglichte, war nicht eure kombinierte Energie«. fuhr er fort. »Etwas anderes hat dies getan. Es suchte sogar die richtige Kleidung für euch aus.«
»Glaubst du, Nagual, daß die Kleider und das Bett und das Zimmer nur da waren, weil wir von den anorganischen Wesen gesteuert wurden?« fragte Carol.
»Darauf kannst du dein Leben verwetten«, antwortete er.
»Für gewöhnlich sind Träumer nur Zuschauer. Nach der Art aber, wie eure Reise verlief, habt ihr beide einen Logenplatz bekommen und den Fluch der alten Zauberer erlebt. Ihnen passierte einst genau das gleiche, was euch passierte. Die anorganischen Wesen führten sie in Welten, aus denen sie nicht zurückkehren konnten. Ich hätte es wissen sollen, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, daß die anorganischen Wesen die Führung übernehmen und versuchen könnten, euch beiden die gleiche Falle zu stellen.«
»Glaubst du, sie wollten uns dort behalten?« fragte Carol.
»Hättet ihr euch aus dieser Hütte hinausgewagt, dann müßtet ihr jetzt hoffnungslos durch diese Welt irren«, sagte Don Juan. Weil wir in all unserer Körperlichkeit in diese Welt eintraten, so erklärte er, sei die Fixierung unseres Montagepunktes in der von den anorganischen Wesen dafür vorgesehenen Position so überwältigend gewesen, daß eine Art Nebel hervorgerufen wurde, der jede Erinnerung an die Welt, aus der wir kamen, ausgelöscht hätte. Die natürliche Folge solcher Starre, fügte er hinzu, sei - wie im Falle der Zauberer der Vorzeit -, daß der Montagepunkt des Träumers nicht in seine gewohnte Position zurückkehren kann. »Überlegt einmal«, forderte er uns auf. »Vielleicht ist es dies, was uns in unserer Alltagswelt stets passiert. Wir sind hier gelandet, und die Fixierung unseres Montagepunktes ist so überwältigend stark, daß sie uns vergessen macht, woher wir kommen und was der Zweck unseres Kommens war.«
Mehr wollte Don Juan über unsere Reise nicht sagen. Ich hatte das Gefühl, daß er uns weitere Skrupel und Ängste ersparen wollte. Er lud uns ein, auf ein verspätetes Lunch. Bis wir das Restaurant erreichten, ein paar Straßenecken weiter an der Avenida Francisco Madero, war es sechs Uhr Nachmittag. Carol und ich hatten ungefähr achtzehn Stunden geschlafen - falls es dies war. was wir taten. Nur Don Juan war hungrig. Er äße wie ein Schwein, meinte Carol mit einem Anflug von Ärger. Köpfe drehten sich in unsere Richtung, als sie Don Juans Lachen hörten.
Es war ein warmer Abend. Der Himmel war klar. Eine leichte Brise umfächelte uns. als wir uns auf eine Bank am Paseo Alameda setzten.
»Eine Frage brennt mir noch auf den Nägeln«, sagte Carol zu Don Juan. »Es gelang uns nicht, das Bewusstsein als Medium der Reise zu nutzen, nicht wahr?«
»Ganz richtig«, sagte Don Juan und seufzte tief.
»Die Aufgabe war, an den anorganischen Wesen vorbeizuschleichen, nicht sich von ihnen steuern zu lassen.«
»Was wird nun passieren?« fragte sie.
»Ihr werdet das Anpirschen der Pirscher verschieben müssen, bis ihr beide stärker seid. Oder vielleicht wird es euch nie gelingen. Eigentlich ist es egal. Wenn etwas nicht geht, dann geht eben etwas anderes. Die Zauberei ist eine endlose Herausforderung.« Und wieder erklärte er uns, eindringlich, als wolle er diese Erklärung für immer in uns verankern, daß die Träumer, um das Bewusstsein als Element der Umwelt zu nutzen, zuerst einmal eine Reise ins Reich der anorganischen Wesen unternehmen müßten. Dann müßten sie diese Reise als Sprungbrett benutzen, und während sie im Besitz dieser unerläßlichen, dunklen Energie seien, müßten sie die Absicht äußern, durch das Medium des
Weitere Kostenlose Bücher